Winter: Mehr Sicherheit mit Alpine-Reifen

Author: Georg Weinand

11. Dez. 2024 Mobilität / Sicherheit im Verkehr

Bei winterlichen Straßenverhältnissen müssen die am Pkw montierten Reifen künftig das Alpine-Zeichen tragen. Diese Reifen haben einen deutlichen Qualitätsvorsprung gegenüber den alten, nur mit dem M+S-Symbol gekennzeichneten Reifen. Doch auch regelmäßige Kontrolle der Reifen und angepasstes Fahrverhalten sorgen im Winter dafür, dass Autofahrer sicher ans Ziel kommen.

Seit Oktober dürfen in Deutschland Pkw mit in- und ausländischen Kennzeichen bei winterlichen Straßenverhältnissen nur noch Reifen mit dem sogenannten Alpine-Symbol – einem stilisierten dreizackigen Berggipfel mit Schneeflocke – benutzen. Reifen, die nur das M+S-Symbol (Matsch und Schnee) tragen, sind seitdem nicht mehr erlaubt, genauso wie natürlich reine Sommerreifen. Winterlich ist es laut Straßenverkehrsordnung dann, wenn Glatteis, Schneeglätte, Schneematsch, Eis- oder Reifglätte vorliegen (§ 2 Absatz 3a StVO).
Wer sich bisher nicht von seinen alten M+S-Reifen trennen wollte, hat nun einen guten Grund, denn bei Zuwiderhandlung werden teils hohe Strafen fällig. Vergleichsweise gering fällt das Bußgeld aus, wenn die Polizei hinschaut und die falsche Bereifung feststellt. Dann sind 60 Euro fällig, einen Punkt in Flensburg gibt es extra hinzu. Behindert man mit seinem Fahrzeug andere Verkehrsteilnehmer, steigt das Bußgeld auf 80 Euro und wer andere gefährdet, bezahlt 100 Euro. Bei Verkehrsunfällen gibt es dann auch noch mächtig Ärger mit der Versicherung.

Alpine-Reifen deutlich besser als M+S-Reifen

Doch wer jetzt glaubt, diese Gesetzesänderung sei in einem bürokratischen Hinterstübchen erdacht worden, der irrt. Es gibt handfeste Gründe dafür, warum den M+S-Reifen in Deutschland das letzte Stündchen geschlagen hat. Der Qualitätsunterschied zu Alpine-Reifen ist gravierend: „Reifen mit M+S-Symbol unterliegen keinerlei technischen Anforderungen in Bezug auf ihre Wintertauglichkeit. Zwar verfügen sie meist über ein gröberes Profil und mehr Profiltiefe, doch das heißt nicht automatisch, dass diese Reifen für winterliche Straßenverhältnisse besser geeignet sind als herkömmliche Sommerreifen“, erklärt DEKRA Reifenexperte Christian Koch. Vielmehr komme es im Winter auf eine flexible Gummimischung und ein spezielles Design des Reifens mit vielen kleinen Lamellen an, um den Grip auf der Fahrbahn zu erhöhen.
Bereits in den 1990er Jahren hätten erste Untersuchungen in Nordamerika ergeben, dass zwischen herkömmlichen Sommerreifen und M+S-Reifen auf winterlichen Straßen kein signifikanter Qualitätsunterschied besteht. Daraufhin habe sich die nordamerikanische Reifenindustrie darauf verständigt, dieses Manko zu lösen und führte nach einigen Jahren standardisierte Verfahren mit festgelegten Tests und Kriterien für wintertaugliche Reifen ein. „Diese Bestimmungen sind später in Europa in eine ECE-Regelung eingeflossen und gelten auch in der Europäischen Union“, sagt das Mitglied der Arbeitsgruppe Reifen des Deutschen Verkehrssicherheitsrats (DVR). „Unter anderem müssen Alpine-Reifen in ausgiebigen Tests beweisen, dass ihre Bremsleistung um mindestens sieben Prozent besser ist als die eines Referenzreifens im Test ohne Alpine-Symbol.“

Reifen regelmäßig überprüfen lassen

Auch die sogenannten Ganzjahresreifen tragen das Symbol mit Berg und Schneeflocke. „Die Qualität von Ganzjahresreifen hat in den vergangenen Jahren zugenommen, weil sich nicht nur die Technik, sondern auch das Wissen über Reifenmischungen und Reifenprofile verbessert hat“, erläutert Koch. Ohnehin seien die meisten Ganzjahresreifen eigentlich „Winterreifen mit Sommerreifeneigenschaften“, wie es der Experte ausdrückt. Das liege auch an den gängigen Testverfahren etwa von Zeitungen oder Automobilclubs, welche in der Regel Ganzjahresreifen in der kalten Jahreszeit testen und dabei ganz besonders die Wintereigenschaften der Reifen unter die Lupe nehmen.
Wie viele Autofahrer noch mit alten M+S-Reifen unterwegs sind, ist schwer zu ermitteln, da hierzu keine Statistiken geführt werden. Da die Reifen aber spätestens seit Ende 2017 nicht mehr produziert werden, sind nicht nur ihre Fahreigenschaften, sondern auch ihr Alter zunehmend ein Thema. Dazu hat Christian Koch eine klare Ansicht: „Wenn Reifen älter als zehn Jahre sind, sollten diese umgehend ausgetauscht werden, das gilt für alle Reifen, egal ob für Sommer oder Winter. Bei Behörden oder etwa der Feuerwehr oder Bundeswehr gibt es dazu sogar entsprechende Vorschriften.“ DEKRA empfehle darüber hinaus, Autoreifen ab dem siebten Jahr von einem Fachbetrieb prüfen zu lassen. Auch bei sonstigen Werkstattaufenthalten, etwa zu den regelmäßigen Services, empfehle es sich, die Werkstattmitarbeiter über die Reifen schauen zu lassen. „Nicht selten fallen am Reifen über das Jahr kleinere Schäden an, die zunächst unbemerkt bleiben, wie etwa kleinere eingefahrene Nägel. Langfristig kann das aber schwerwiegende Folgen haben“, erklärt der Sachverständige.

Allradautos haben beim Bremsen keine Vorteile

Zwei Winter-Tipps hat Christian Koch für Besitzer von Fahrzeugen mit Allrad- und Elektroantrieb. „Allradangetriebene Fahrzeuge haben bei winterlichen Straßenverhältnissen insbesondere beim Anfahren und Beschleunigen klare Vorteile. Die Antriebskräfte werden im Zusammenspiel mit den elektronischen Assistenzsystemen gezielt auf die einzelnen Räder verteilt und dadurch das Durchdrehen beim Anfahren weitestgehend verhindert“, erklärt er. Beim Bremsen allerdings verschwinden diese Vorteile gegenüber Front- und Heckantrieblern. Hier gelte für alle dasselbe: vorausschauendes Fahren, angepasste Geschwindigkeit und frühzeitiges Abbremsen sind die besten Mittel, um auf glatter Fahrbahn Unfälle zu vermeiden.
Die Beschleunigung ist es auch, die E-Autos unter normalen Bedingungen für viele Nutzer so attraktiv macht. Allerdings kann die wesentlich direktere Kraftübertragung auf die Räder gegenüber herkömmlichen Antrieben im Winter auch ihre Tücken haben. Außerdem gilt – für E-Autos wie für Verbrenner: Gerade auf Brücken oder in Waldstücken kann es schnell glatt werden, obwohl anderswo keine Gefahr droht. Hier sollte man beim Gas geben besonders aufpassen, um nicht die Kontrolle über das Fahrzeug zu verlieren.