Wasserstofftankstelle: Gas zapfen
Author: Michael Vogel
Wasserstofftankstellen sind bislang selten. Das soll sich in absehbarer Zeit ändern. DEKRA begleitet diesen Wandel mit der eigenen Expertise.
Die Automobilindustrie legt für die kommenden Jahre weltweit ihren Fokus stark auf die Entwicklung batterieelektrischer Antriebe. Welche Rolle die Brennstoffzelle bei Pkw und Nutzfahrzeugen künftig spielen wird, ist dagegen noch unklar. Fest steht jedoch, dass bereits heute solche Fahrzeuge auf den Straßen unterwegs sind und dass es Nutzungsprofile gibt, die gut zu einem Brennstoffzellenantrieb passen – zum Beispiel bei Bussen im öffentlichen Nahverkehr, bei Abfallsammelfahrzeugen, bei Gabelstaplern oder im Güterfernverkehr. In der Brennstoffzelle reagiert Wasserstoff mit dem Sauerstoff der Luft; die freiwerdende Energie dieser chemischen Reaktion wird in elektrischen Strom umgewandelt. Ein Brennstoffzellenfahrzeug benötigt also weder Benzin noch Diesel noch Strom, sondern Wasserstoff. Und den muss es irgendwo tanken können.
Heute geschieht das oft an Tankstellen, die auf Betriebsgeländen liegen. Doch es gibt auch Zapfanlagen im öffentlichen Raum: Laut Zahlen des Portals H2.live sind in Europa 165 Tankstellen in Betrieb, weitere 41 befinden sich in der Realisierung. DEKRA ist seit kurzem eine von nur drei Prüforganisationen, die solche Betankungsanlagen prüfen und zertifizieren können. „Der Übergang in die Wasserstoffwirtschaft beginnt gerade erst“, sagt Dr. Christoph Flink, Vice-President Wasserstoffwirtschaft-Programmmanagement bei DEKRA. (EN: Vice President Hydrogen Economy Program Management at DEKRA) „Wir unterstützen ihn, indem wir die richtigen Sicherheitskonzepte zum richtigen Zeitpunkt anbieten.“ Auch klassische Tankstellen für Benzin und Diesel unterliegen solchen Prüf- und Zertifizierungsvorgaben. Bei Wasserstofftankstellen gibt es naturgemäß Unterschiede, weil es sich um einen anderen Energieträger, eben Wasserstoff, handelt.
Forschungsprojekte zur Betankung mit verflüssigtem Wasserstoff
Aus einem Kilogramm Wasserstoff lässt sich gut dreimal so viel Energie gewinnen wie aus einem Kilogramm Diesel oder Benzin. Das Problem dabei: Pro Volumen ist der Energiegehalt des Wasserstoffs sehr gering, weil er bei Umgebungstemperatur als Gas eine niedrige Dichte hat. Um also keine unrealistisch großen – unwirtschaftlichen – Tanks im Fahrzeug und an der Tankstelle haben zu müssen, wird Wasserstoffgas komprimiert in Druckbehältern gelagert. Es gibt aber auch Forschungsprojekte, etwa von Daimler Truck und Linde, die eine Betankung mit verflüssigtem Wasserstoff zum Ziel haben. Auch DEKRA sammelt erste Erfahrungen mit Flüssigwasserstoff-Betankungsprozessen in einem Forschungskonsortium um den Energieversorger Engie.
Der Fahrzeugtank heutiger Brennstoffzellen-Pkw fast fünf bis sieben Kilogramm Wasserstoff, der unter einem Druck von 700 bar steht. Damit ist die Reichweite des Pkw vergleichbar mit der eines Diesels oder Benziners. Brennstoffzellennutzfahrzeuge verbrauchen deutlich mehr und haben ein viel höheres Gesamtgewicht. Daher sind Gewicht und Volumen des Wasserstofftanks bei ihnen weniger kritisch als bei Pkw. Aus diesem Grund, aber vor allem aus historischen Gründen, steht der Wasserstoff in den Tanks von Nutzfahrzeugen nur unter einem Druck von 350 bar. Möglich ist, dass sich langfristig in allen Fahrzeugarten die 700-bar-Tanks durchsetzen.
Der Tankvorgang dauert nur wenige Minuten
Beim Tanken muss nun die Zapfanlage den Wasserstoff in den Fahrzeugtank befördern. Äußerlich ähnelt die Handhabung in etwa den vertrauten Zapfpistolen der Verbrenner, aber mehr auch nicht. Die Wasserstoffzapfpistole wird von Hand oder automatisch im Einfüllstutzen arretiert. Zapfanlage und Fahrzeug kommunizieren dabei per Infrarotschnittstelle miteinander. Um den aktuellen Füllstand des Fahrzeugtanks zu ermitteln, sendet die Tankstelle zunächst einen kurzen Druckstoß Wasserstoff. Bald darauf beginnt die eigentliche Betankung, was auch daran zu erkennen ist, dass der Schlauch sich spannt, weil er unter Druck steht. Beim Befüllen können die kurzzeitigen Druckunterschiede bis zu 100 bar betragen. Der gesamte Vorgang dauert nur wenige Minuten. Wie lange genau und wie viele Fahrzeuge nacheinander ohne große Unterbrechung tanken können – das hängt stark von der Auslegung der Betankungsanlage ab.
„DEKRA prüft und zertifiziert die Funktion von Wasserstofffüllanlagen auf Konformität mit den Normen ISO 19880-1 und DIN EN 17127“, erläutert Flink. „Des Weiteren prüfen und zertifizieren wir auch die Wasserstoffqualität, die für die Verwendung in Brennstoffzellen sehr hoch sein muss.“ Konkret ist in einer weiteren Norm, der DIN EN 17124, nicht nur die Wasserstoffreinheit definiert, die mindestens 99,97 Prozent betragen muss, sondern auch, welche Anteile verschiedene Verunreinigungen jeweils höchstens haben dürfen. Bei den Prüfungen arbeitet DEKRA mit dem Zentrum für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) in Ulm und dem Zentrum für Brennstoffzellen-Technik (ZBT) in Duisburg zusammen. Diese Partner führen die jeweiligen Messungen durch.
Wasserstoff gelangt per Lkw-Transport zu den Tankstellen
An der Wasserstofftankstelle wird der gasförmige Wasserstoffvorrat übrigens nur bei Drücken von 50 bis 450 bar gelagert – der konkrete Wert hängt von den im jeweiligen Land gültigen Sicherheitsvorschriften ab. Daher müssen zunächst Verdichter – Kompressoren – den erforderlichen Arbeitsdruck für die Befüllung erzeugen.
Zu den Tankstellen in Europa gelangt der Wasserstoff aktuell meistens per Lkw-Transport. Denn ein Wasserstoffverteilnetz, an das sich eine Tankstelle prinzipiell anschließen ließe, gibt es bislang nur in Ausnahmefällen, zum Beispiel in der Nähe von Chemieparks, weil Wasserstoff für die Industrie auch eine wichtige Rolle bei der Herstellung von Grundstoffen spielt. Mit zunehmender Verbreitung des Wasserstoffs als Energieträger könnte sich die Situation beim Verteilnetz jedoch ändern, wenn es denn genügend Wasserstoff gibt, der mittels erneuerbaren Energien erzeugt wurde.
Die EU-Kommission jedenfalls hat mit Blick auf den Fernverkehr das Ziel ausgegeben, dass ab dem nächsten Jahrzehnt an transeuropäischen Verbindungsstrecken mindestens alle 200 Kilometer eine Wasserstofftankstelle für Lkw ihren Dienst tun soll. Auch die Nationale Wasserstoffstrategie der deutschen Bundesregierung sieht einen umfangreichen Ausbau des Tankstellennetzes vor.