Kraftwerk Straße
Author: Georg Weinand
Photovoltaik an Verkehrswegen hat das Zeug, aus der Straße ein Kraftwerk zu machen. Dabei baut man erneuerbare Energien aus und erhält gleichzeitig die Landschaft. Doch noch steht diese Form der Energiegewinnung am Anfang ihrer Entwicklung.
Straßen wie die Route 66 in den USA sind zum Mythos gewordene Symbole der Mobilität. Auf dem Verkehrsweg um die Ecke kommen wir schlicht von A nach B. Doch bald schon könnten sich unsere Fahrtwege zum Kraftwerk entwickeln. In innovativen Firmen rund um den Globus will man Straßen, Wege und Parkplätze zu Orten umfunktionieren, die der Energieversorgung dienen. Spezielle, in den Straßenbelag eingelassene Solarmodule, sind dabei genauso ein Weg zur Verwirklichung der Idee wie Solarkraftwerke, die sich entlang der Autobahn ziehen oder mit Solarmodulen überdachte Parkplätze. Die Krönung all dieser Entwicklungen wäre die induktive Aufladung von Elektroautos auf Solarstraßen während der Fahrt. Auch daran wird bereits geforscht.
Die Ideen kommen zur rechten Zeit. Denn gegen Windräder und große Freiflächenanlagen für Photovoltaik formiert sich immer häufiger Widerstand der Anwohner. Neue, weniger konfliktträchtige Ideen sind also gefragt, wenn die ehrgeizigen Energieziele erreicht werden sollen. Immerhin will Deutschland bis 2030 65 Prozent des Stroms aus regenerativen Energiequellen gewinnen, bis 2050 sollen es gar 80 Prozent sein. Das wäre nahezu eine Verdopplung gegenüber 2019.
Die Integration von Photovoltaikanlagen in bestehende Infrastruktur könnte die Konflikte um Solarprojekte dämpfen, denn es wird kaum zusätzliche Fläche benötigt. Das gegenwärtig technisch mögliche Energiegewinnungspotenzial von Photovoltaikanlagen, die an, in oder über Verkehrswegen angebracht werden, wird allein in Deutschland auf 72 Gigawatt geschätzt. Zum Vergleich: Das 2022 vom Netz gehende Kernkraftwerk Isar 2 hat eine Nennleistung von knapp 1,5 Gigawatt und kann jährlich 3,5 Millionen Vier-Personen-Haushalte mit Strom versorgen.
Erste Projekte gestartet
Doch der Weg zum Ausbau der Verkehrswege-Photovoltaik ist lang. Ähnlich wie in Frankreich, den Niederlanden oder Luxemburg gibt es auch in Deutschland kleinere, erfolgreiche Projekte – so etwa den 15 Meter langen Solarweg auf dem Gelände der Zeche Westerholt in Gelsenkirchen oder die mit Photovoltaikanlagen ausgestatteten 234 Meter langen Lärmschutzwände im bayerischen Neuötting. Sie liefern 51.500 Kilowattstunden Strom pro Jahr, was dem Jahresstromverbrauch von etwa 13 Vier-Personen-Haushalten gleichkommt. Dr. Martin Heinrich, beim Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg zuständig für Verkehrswege-Photovoltaik, sieht dennoch zuversichtlich in die Zukunft: „Neben den erfolgreichen Pilotprojekten stellen wir auch ein hohes Interesse in Bevölkerung und Politik fest.“
Von den 72 Gigawatt, die Verkehrswege-Photovoltaik derzeit rein technisch gesehen erzeugen könnte, fällt mit 58 Gigawatt der überwiegende Anteil auf Straßenflächen. „Wirtschaftlich am interessantesten ist dabei die Integration von Photovoltaik in den Belag von Plätzen sowie Fuß- und Radwegen, weil die technischen Anforderungen an den Belag geringer als bei Autobahnen sind, die Anschlussmöglichkeiten für die erzeugte Leistung dafür aber besser“, erklärt der Photovoltaikspezialist. In Lärmschutzwänden entlang vielbefahrener Straßen wie Autobahnen sieht Heinrich ebenfalls großes Potenzial: „Insbesondere bei bifazialen Modulen, also Module, die einen Stromertrag durch Sonneneinstrahlung von beiden Seiten generieren, gibt es vielfältige und lohnende Aufstellungsvarianten.“
Photovoltaik-Anlagen an der Autobahn
Dass die Verkehrswege-Photovoltaik vor einer großen Zukunft stehen könnte, bescheinigen die Projekte in Europa, Asien und USA. So verwirklicht etwa die Princeton-Universität in New Jersey ein Projekt, bei dem eine Parkplatzfläche mit der Größe von vier Fußballfeldern mit Solarzellen überdacht wird. Das Fraunhofer ISE arbeitet unterdessen in den kommenden Jahren zusammen mit österreichischen Partnern an einer funktionsfähigen Photovoltaik-Überdachung für Autobahnen. In den Niederlanden soll die Autobahn A37 in der Provinz Drenthe auf einer Länge von 40 Kilometern auf dem Mittelstreifen sowie rechts und links der Trasse mit Solarpanels ausgestattet werden. Bei Inbetriebnahme des Solarkraftwerks könnten 35.000 Haushalte mit Strom versorgt werden.
Die spannende Idee, dass Elektroautos eines Tages ihren Strom per Induktion aus dem Straßenbelag gewinnen könnten, ist noch Zukunftsmusik. „Bisher bestehen keinerlei Erfahrungen mit Photovoltaik und auch die Frage der Wirtschaftlichkeit kann noch nicht beantwortet werden“, stellt Diplom-Physiker Heinrich fest.