Faszination Oldtimer-Traktoren – im Gespräch mit Oliver Treichel
Oldtimer-Traktoren: alte Technik und betagte Kraftmaschinen
Edle Karosserien mit strahlendem Chrom und blankpoliertem Lack – das ist das Bild des klassischen Oldtimers. Doch nicht nur Personenkraftwagen erhalten ab ihrer 30-Jahr-Marke diesen Status. Auch Fahrzeuge, die um einiges robuster sind und in ihrer Blütezeit harte Landarbeiten erledigen mussten, erreichen ab diesem Alter den Titel Oldtimer. Landmaschinen und Traktoren sind wichtige Nutzfahrzeuge und werden seit Jahrzehnten in der Landwirtschaft eingesetzt.
Oldtimer mal anders – Maschinen aus der Landwirtschaft
Es ist keine saubere Arbeit auf den Feldern, wenn die großen Räder der Traktoren durch den Dreck fahren. Sie haben in ihrer Blütezeit viel geleistet und auch wenn sie im Vergleich zu heutigen Landmaschinen vielleicht nicht so viel Power unter der Motorhaube haben, so steckt auch in ihrem Getriebe ordentlich Energie: Oldtimer-Traktoren und -Schlepper haben ihre ganz eigene Liebhabergemeinde und werden gerne auf Oldtimer-Treffen zur Schau gestellt.
Einer der sich bestens mit Oldtimern, und besonders mit Oldtimer-Traktoren und -Schleppern auskennt, ist Oliver Treichel – seit 20 Jahren in Hamburg bei DEKRA als Oldtimer-Sachverständiger und großer Liebhaber alter Landmaschinen und Traktoren. Die Freude an Treckern lebt er bereits seit über 30 Jahren. Und als Vorsitzender des TOCH Vereins (Traktoren-Oldtimer-Club-Hamburg v. 1988 e. V.) kennt er sich aus mit Technik und Mechanik alter Landmaschinen.
So hat er schon selbst einige solcher Fahrzeuge restauriert und ist stolzer Besitzer mehrerer Oldies. Dazu zählt unter anderem sein Trecker, ein IFA Pionier RS01/40, Baujahr 1951 – dem ersten Trecker-Typ, der in der DDR gebaut wurde. Hinzu kommt eine Kawasaki Z 550 LTD aus Anfang der 80er Jahre, ein Projekt, das er sich noch vorgenommen hat.
Im ersten Corona-Lockdown fiel ihm zudem noch ein echter Klassiker in die Hände und in die Werkstatt zur Restauration: ein Goggomobil Coupé TS 250. Im vergangenen Jahr kam noch ein Opel Blitz – auch Weichblitz genannt, 1,75 Tonner mit 330er-Radstand, Baujahr 1955 – dazu. Der Name Weichblitz wird im Übrigen von der weich geschwungenen Form des Fahrzeugs abgeleitet. Diese gab es in zahlreichen Modellvarianten, z. B. als Fahrgestell, Feuerwehr- und Pritschenwagen, Verkaufsfahrzeug, Kastenaufbau oder sogar als Bus – ein wahrlich vielseitig einsetzbares Fahrzeug.
Oldtimer-Landmaschinen mit Geschichte
Sein IFA Pionier ist ein recht geschichtsträchtiges Modell – dieses sieht dem Famo XL sehr ähnlich. Das wiederum war ein Vorkriegsmodell der Firma Famo (Fahrzeug- und Motoren-Werke GmbH). Nach dem Zweiten Weltkrieg flohen die Ingenieure vom Sitz des Unternehmens in Breslau in Richtung Westen und nahmen die Konstruktionspläne der Landmaschinen mit sich. Der Famo XL wurde dann mit gewissen Vereinfachungen und Abänderungen wieder produziert, und so fing die Schlepper-Produktion in der DDR an. 1947/48 wurden die ersten neuen Schlepper-Typen gebaut – allerdings noch nicht unter dem Namen IFA Pionier. Die Abkürzung IFA steht übrigens für Industrieverband Fahrzeugbau.
Angeschafft hatte Oliver Treichel sich diesen Schlepper, damit sich auch seine Frau komfortabel beim Fahren neben ihn setzen kann. Denn bei manchen Schleppern ist der Sitz mittig ausgerichtet und Mitfahrende müssen es sich auf einem Platz auf dem Kotflügel bequem machen – wer nebeneinandersitzen möchte, braucht also eine Alternative..
Der IFA Pionier lieferte die technische Voraussetzung, die es möglich machte, Seite an Seite sitzen zu können. Oliver Treichel restaurierte den Schlepper fertig und baute ihn so um, dass er und seine Frau in der Tat auf einem Zweiersitz Platz fanden.
Die Restauration der Landmaschinen ist mit einem gewissen Maß an Recherche zur Historie und Technik der Fahrzeuge verbunden. Oliver Treichel hatte sich vor der Restauration ausgiebig mit der Vorgeschichte des Treckers und des Pionier-Typs beschäftigt, sich viele Bilder angesehen – unter anderem auch die einer Famo Straßenzugmaschine. Diese hat PKW-Kotflügel, die wie bei klassischen Oldtimern-PKW von vorne nach hinten durchgeschwungen sind. So etwas Ähnliches wurde in der DDR nachgebaut. Mithilfe dieser Bilder hat er die Anpassungen an seinem eigenen Pionier umgesetzt, sodass er nun wie eine Straßenzugmaschine aussieht: So hat das Gefährt ein neues Verdeck bekommen, eine Frontscheibe sowie die durchgehenden Kotflügel und eine Druckluftversorgungsanlage für das Anhängergetriebe. Eine Seilbinde wurde ebenfalls hinten an das Fahrzeug angebracht, wie die originalen Straßenzugmaschinen von damals. Das alles baute er nach und nach um – und mit diesem schicken IFA Pionier RS01/40 von 1951 ist er nun unterwegs.
Trecker- & Traktoren-Oldtimer-Treffen sind weiterhin beliebt
Als langjähriger Vorsitzender des TOCH Vereins war und ist Oliver Treichel bei zahlreichen Oldtimer-Treffen dabei. Aber auch andere Traktorentreffen bereist er gerne. Dafür hat er sich einen alten Bauwagen mit Stabholzaufbau von den Hamburger Wasserwerken gekauft, und diesen zum Wohnwagen umfunktioniert. Hinter den Trecker gespannt, können so auch mehrtägige Veranstaltungen besucht werden.
Wenn er mit seinen Fahrzeugen dort unterwegs ist, sind auch stets die historisch passenden Outfits mit dabei – das heißt beim TOCH Verein zeit- und epochenmäßige Arbeitskleidung aus dem jeweiligen Jahrzehnt, schick oder anlassbezogen.
Nach der mehr als zweijährigen, coronabedingten Pause fand am 20. und 21. August in Hamburg wieder ein Traktoren-Oldtimer-Treffen statt. Normalerweise werden Events solcher Art des TOCH alle zwei Jahre veranstaltet.
Oliver Treichel weiß, wie es um den Verein und die Veranstaltungen steht. Alte Schlepper und Traktoren sind noch immer beliebt bei Oldtimer-Freunden, und es steht gut um seinen Verein – trotz Corona.
Doch etwas ist ihm aufgefallen in seinen Jahren als ständiger Oldie-Treffen-Teilnehmer: Früher gab es weitaus mehr private Sammlungen alter Fahrzeuge und Klassiker-Liebhaber, die mehrere Traktoren oder Oldtimer hatten. Dabei sind die Gründe ganz unterschiedlich; zum Beispiel, die Nachkommen, die nicht mit der bejahrten Technik klarkommen, nichts damit anfangen können oder wollen. Wenn kein Interesse für dieses Gebiet besteht, werden die alten Maschinen verkauft. Zudem gibt es viele Privatleute, die nur einen Trecker besitzen; diese werden aber auch häufig entweder an andere Sammler oder ins Ausland abgetreten.
Traktoren-Treffen sind in Deutschland noch immer sehr beliebt, denn die kräftigen Landmaschinen haben eine große Fangemeinde. Vom Prinzip ist daher auch die Szene der Oldtimer-Traktoren-Treffen recht gut von Altersgruppen durchsetzt – sowohl von Maschinen- als auch auf Teilnehmerseite. Beim Alter der Traktoren ist alles dabei. Ganz alte Oldtimer-Traktoren-Modelle aus den ersten Jahren der Trecker-Ära werden zwar immer weniger, aber dadurch, dass die 30 Jahr-Grenze stetig fortschreitet und somit nach und nach weitere Traktoren als „Oldtimer“ zählen, kommen auch stetig neue „alte“ Modelle hinzu. Diese kennen viele dann noch aus der eigenen Kindheit, und es herrscht nettes Nostalgie-Feeling voller Erinnerungen. So mancher hat sich da den Traum aus Kindertagen, einen eigenen Traktor zu besitzen, erfüllt.
Bei der Demografie in der Oldtimer-Traktoren-Szene und bei Treffen gibt es zurzeit keinen großen Wandel zu beobachten – und das ist vor allem in der Zeit während und nach Corona eine gute Nachricht: Bei den Oldtimer-Liebhabern selbst überwiegt zwar die ältere bis mittelalte Altersgruppe, aber Nachwuchs kommt dennoch immer wieder nach. Dieser findet sich allerdings erst ab der Altersgruppe der 18 bis 20-Jährigen. Zwar darf bereits mit 16 Jahren der Traktoren-Führerschein gemacht werden, jedoch sind davon Fahrzeuge ausgeschlossen, die keinem land- oder forstwirtschaftlichen Zweck dienen – Oldtimer-Traktoren und -Trecker bei Oldtimertreffen fallen in diese Kategorie. Und wer Teil des Traktoren-Oldtimer-Club-Hamburg sein möchte, braucht natürlich auch einen eigenen Trecker!
Oldtimer-Mechanik, die begeistert
Die Faszination Traktor begann für Oliver Treichel mit einer Trecker-Restaurierung, mit der ihn sein Chef noch einige Jahre nach seiner Ausbildung zum Karosserie- und Fahrzeugbauer beauftragt hatte. Das war der erste Kontakt mit der Thematik – von da an stieg sein Interesse und die Neugier an den Maschinen, ihrer Technik und Funktionsweise. Schließlich können solche bejahrten Gerätschaften nicht nur einfach auseinandergeschraubt und zusammengesetzt werden. Bei vielen solcher alten Fahrzeuge wurden von Vorbesitzern oft Eigenkreationen herangebastelt, mit denen sich der Hobby-Restaurator zunächst einmal befassen muss. Hinzu kommt die Recherche zur Originalmaschine und wie diese aufgebaut war – ein sehr umfassendes, aber für Oliver Treichel auch unglaublich interessantes Fachgebiet.
Zumal diese primitive jahrzehntealte Technik auch teilweise so primitiv sein kann, dass Fachleute der modernen Mechanik gar nicht mehr so einfach denken können, sagt Treichel. Denn die Technik unter der Motorhaube war bei solchen Landmaschinen damals wesentlich einfacher als heute. So zum Beispiel beim Klassiker Lanz Bulldog: Die Drehzahlregelung funktioniert vom Prinzip wie bei einer Dampfmaschine. Zunächst muss herausgefunden werden, wie die ganze Mechanik eigentlich arbeitet – denn die Dampfmaschine in dieser Form ist schon seit langem aus der modernen Technik verschwunden. Spätestens hier wurde das Interesse für solche Fahrzeuge bei Oliver Treichel geweckt, als er sich stark mit der Materie beschäftigte und sich in die Mechanik einlas und einarbeitete.
In guten Händen – 20 Jahre Berufserfahrung
Als Sachverständiger für PKW, Oldtimer, Nutzfahrzeuge und Baumaschinen ist Oliver Treichel bereits seit 2002 für Bewertungen und Gutachten bei DEKRA Classic Services zuständig. Er und seine Kolleginnen und Kollegen sind im Bereich GWM – Gebrauchtwagenmanagement – als Teil des Oldtimer-Portfolios der DEKRA breit aufgestellt. Mit ihrer Expertise und fachlichem Wissen nehmen sie sich jedem betagten Klassiker an und DEKRA Classic Service Kunden können sich sicher sein: Hier sind ihre Oldies in guten Händen.
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