Schrauben, Schlafen, Staunen: Camping-Abenteuer im Oldie

Das Campen mit einem Oldtimer ist mehr als nur eine Reise – es ist eine Rückkehr zu den Wurzeln des Reisens, eine Verbindung zur Vergangenheit und eine Chance, dem hektischen Alltag zu entfliehen. Der erfahrene DEKRA Experte Stefan Boy aus der KFZ-Branche hat bereits mehrere Reisen mit seinem eigenen T2 Bus unternommen. Außerdem begleitet er mittlerweile seit über zehn Jahren den DEKRA Classic Service, wo er unter anderem für die Qualität der Gutachten und die Wertfindung zuständig ist. Worauf ist bei einer Reise mit einem historischen Wohnmobil besonders zu achten? Welche Vorkehrungen sollten unbedingt getroffen werden? Der Fachmann gibt wertvolle Einblicke in die Besonderheiten und Herausforderungen, die das Campen im Klassiker mit sich bringt.

Ein Blick unter die Haube: Wartung als Schlüssel zur Zuverlässigkeit

Bevor das Abenteuer beginnen kann, muss zunächst der Wagen auf seine technische Fahrtauglichkeit überprüft werden, um Pannen vorzubeugen. „Die Fahrzeuge sind über 30 Jahre alt, da ist die Wartung entscheidend, um sicher unterwegs zu sein“, erklärt der erfahrene Spezialist. Im Gegensatz zu modernen Wohnmobilen erfordern die Klassiker eine intensivere Pflege – beispielsweise müssen die Motorölwechsel in kürzeren Perioden stattfinden. Besonders wichtig sei es, den Zustand der Bremsanlage zu überwachen, da ältere Modelle oft noch mit Trommelbremsen ausgestattet sind, die bei längeren Fahrten – vor allem bergab – überlastet werden können. Die Umrüstung auf eine Scheibenbremse ist demnach eine Überlegung wert. Stefan Boy betont, dass diese Umrüstung außerdem nicht zwangsläufig ein Grund für die Aberkennung des H-Kennzeichens ist.
Auch moderne Kraftstoffe sind aufgrund ihres hohen Bioanteils eine Herausforderung für die alten Wägen. So sind über einen längeren Zeitraum stehende Fahrzeuge nicht mehr so zündwillig, erklärt der Experte weiter. Auch können Dichtungen oder die Einspritzanlage durch den Kraftstoff beschädigt werden. Vor einer längeren Standpause des Automobils sollte deshalb ein hochwertiger Treibstoff getankt und zusätzlich ein Additiv zur Stabilisierung des Kraftstoffes verwendet werden.

Ersatzteile und Vorbereitung

Für längere, insbesondere monatelange Reisen mit einem Oldtimer empfiehlt Stefan Boy eine gut durchdachte Vorbereitung. Neben der üblichen Wartung müssen sich auch Gedanken über Ersatzteile gemacht werden. „Ein Keilriemen und passende Zündkerzen sollten immer dabei sein“, rät er. Besonders bei Reisen ins Ausland kann es schwierig sein, schnell an Ersatzteile zu kommen. Zudem kann es sinnvoll sein, Kontakte zu entsprechenden Ersatzteillieferanten auch international in petto zu haben.
Vorsicht ist besser als Nachsicht: Wer mit einem Klassiker auf Reisen geht, sollte sich gut absichern. Der Fachmann empfiehlt allen Oldie-Besitzerinnen und -Besitzern – egal, ob Camper oder nicht – einem Pannendienst und Verkehrsclub beizutreten, um im Notfall Unterstützung zu haben. Für längere Reisen ins Ausland ist es zudem ratsam, mit dem Versicherer abzuklären, ob der bestehende Versicherungsschutz sowohl im EU-Ausland als auch in Nicht-EU-Ländern gilt. Dementsprechend ist es ratsam, gegebenenfalls eine Zusatzversicherung abzuschließen. Einige Spezialversicherer bieten außerdem die Möglichkeit, Zubehör wie Surfboards mitzuversichern – „So müssen sich Reisende keine Sorgen um ihr Equipment oder ihre Ausstattung machen“. Sollte es während der Fahrt zu einem unerwarteten Zwischenfall kommen, ist es wichtig, einen kühlen Kopf zu bewahren. Das weitere Vorgehen unterscheidet sich im Grunde nicht von dem bei modernen Wägen..

Charme und Glanz der Vergangenheit

Trotz der technischen Herausforderungen bietet das Camping mit einem Oldtimer einen besonderen Reiz. Konkrete Vorteile gäbe es beim Reisen mit den historischen Automobilen prinzipiell keine, meint Stefan Boy zunächst. Warum also in einem alten, beengten Wohnmobil ohne technischen Schnickschnack in den Erholungsurlaub fahren? Für viele ist es weniger eine Frage des Komforts, sondern eine bewusste Entscheidung für Entschleunigung und Ursprünglichkeit. Einfach raus aus dem Alltag kommen und abschalten. „Man lebt in Erinnerungen und konzentriert sich auf das Wesentliche“, sagt Stefan Boy. Das Fehlen moderner Annehmlichkeiten wie Mikrowellen oder Induktions-Kochfelder im Oldtimer-Campingmobil trägt dazu bei, sich auf einfache Dinge zu besinnen, wie zum Beispiel das Aufgießen eines Kaffees statt der Nutzung moderner Maschinen. Die Einfachheit der Fahrzeuge hilft auch bei der selbstständigen Kontrolle, da die Elektronik nicht so komplex ist wie bei modernen Wägen. Die Reparatur kleinerer technischer Probleme unter der Haube können so teilweise auch ohne Mechanikerinnen und Mechaniker-Unterstützung in die eigene Hand genommen werden.
Der Charme der bejahrten Wohnmobile ist ansteckend: Der Experte berichtet von persönlichen Erfahrungen im Ausland, als er mitten im Nirgendwo am Straßenrand sein Nachtquartier aufgeschlagen hatte. Als die Polizei vorbeikam, befürchtete er schon das Schlimmste, doch die ausländischen Polizisten waren äußerst hilfsbereit: „Sie fragten, ob wir eine Panne hätten und Hilfe brauchen oder ob sie uns etwas Gutes tun können“. Die Begeisterung für die Klassiker scheint im Ausland sehr groß zu sein, denn dies ist nicht das einzige derartige Erlebnis, von dem der Enthusiast berichtet. Einmal stand er mit seiner Reisegruppe mit zwei Oldie-Campern auf einer Klippe in Portugal, als die – wie die Community sagt – weiße Pest (ein riesiges modernes Wohnmobil) angerollt kam und sich dazu stellte. Anschließend wurden sie von der Polizei mit den Worten „Tut uns leid, aber jetzt müssen alle hier weg“, verscheucht. „Wir mit unseren alten Bussen wären nicht das Problem gewesen“, sagt Stefan Boy. Der moderne Camper war den Ordnungskräften wohl ein Dorn im Auge. Schmunzelnd meint er: „So gesehen hat das Campen mit Oldtimern also doch Vorteile“.

Nachhaltigkeit und Oldtimer – lässt sich das vereinbaren?

Der Experte argumentiert, dass Oldtimer im Allgemeinen eine nachhaltige Option sind, da sie über Jahrzehnte hinweg genutzt werden. Somit sparen sie Ressourcen, die bei der Produktion neuer Fahrzeuge anfallen würden. Außerdem gibt es für die Wagen Ersatzteile, es muss also nicht zwangsläufig etwas Neues produziert werden.
Zudem können durch den Einsatz von E-Fuels und Solartechnik weitere positive Effekte erzielt werden. Gerade die Installation eines Ladesysteme mit Solartechnik bringt Vorteile, wenn abseits von Campingplätzen gerastet wird. So bieten sie zum Beispiel mehr Sicherheit, da die alten Wohnmobile teilweise einen Gasanschluss haben. Um zum Beispiel den Kühlschrank zu betreiben, könnte auf einen elektrisch betriebenen Kompressor-Kühlschrank umgerüstet werden.

Gemeinsame Leidenschaft: Die Camper-Community

Die Camper historischer Wohnmobile sind eine verknüpfte und freundschaftliche Gemeinschaft. Stefan Boy berichtet von vielen Campingplatz-Aufenthalten, auf denen sich die Besitzerinnen und Besitzer der alten Fahrzeuge stets zusammenrotten und sich auch oft zufällig bei anderen Ausflügen wieder treffen. Er selbst gehe unter anderem gern und regelmäßig nach Dänemark zum Surfen – auch hier finden sich immer Gleichgesinnte zusammen. „Das Campen im Oldtimer ist ein Lifestyle“, sagt der Fachmann. Es gibt beispielsweise auch gemeinsame Ausfahrten, Bulli-Treffen und vieles mehr. Er habe bereits viele Freundschaften und sogar Geschäftsbeziehungen über diese Lebensart geschlossen.

Und die Reise geht stets weiter

Abschließend wagt Boy einen Blick in die Zukunft des Oldtimer-Reisens. Er ist überzeugt, dass der Trend weiterhin bestehen bleibt, da die Sehnsucht nach Entschleunigung und einem bewussten Leben wächst. „Die Menschen suchen nach einer Auszeit von der Hektik des Alltags und das Camping in den historischen Wohnmobilen bietet genau das“, fasst er zusammen.
Das Camping mit einem Klassiker ist also nicht nur eine Reise zu wunderschönen Orten, sondern auch eine Reise in die Vergangenheit – mit all ihren Herausforderungen und Belohnungen. Es verlangt nach Vorbereitung und Sorgfalt, bietet dafür aber eine unvergleichliche Erfahrung, die das Herz aller Oldtimer-Liebhabenden höher schlagen lässt