Lizenz zum Stromgeben

20. Feb. 2025

Die DEKRA Akademie in Dänemark hat in die Zukunft investiert: Zehn neue Elektro-LKW und drei Elektro-Busse stehen für die Ausbildung und Schulung von Berufskraftfahrern seit März 2024 landesweit zur Verfügung. Am Nachhaltigkeits-Standort Brabrand konnte DEKRA ONE sich das genau ansehen.

Nichts als Stille. Das ist der erste Eindruck, wenn man im Führerhaus eines Elektro-Lkw Platz nimmt. Nur die Lüftung ist zu hören. Vielleicht ist es sogar noch ein wenig leiser als in einem Elektro-Pkw. Das breite Grinsen auf dem Gesicht von Mads, dem DEKRA Ausbilder auf dem Fahrersitz, will gar nicht mehr verschwinden. Lautlos setzt sich der Volvo Electric FH in Gang und rollt vom Hof des Akademie-Geländes. „Der Unterschied zu herkömmlichen Trucks ist hauptsächlich das fehlende Motorgeräusch“, sagt Mads, „und natürlich, dass alle 666 PS sofort zur Verfügung stehen. Da muss man schon ein wenig gefühlvoller mit dem Gaspedal sein.“

Normales Fahrgefühl ohne Powerverlust

Souverän manövriert der 49-Jährige das 18-Tonnen-Gefährt einmal um den Block, um dann wieder zurück aufs DEKRA Gelände zu fahren. „Die meisten Lkw-Fahrer, auch die skeptischsten unter ihnen, haben für das Fahrgefühl nur ein Wort: Wow!“, berichtet er aus seiner Praxis. Dort wurde auch der Mythos, dass die 450-kWh-Batterie im Hängerbetrieb mit Ladung schnell schlapp macht, entkräftet: „Der Volvo kann bis zu 40 Tonnen laden und das Fahrgefühl auf der Straße ist nicht anders als in einem Diesel-Lkw“, so der Fahrlehrer. Nach etwa 300 Kilometern muss er dann allerdings an eine Ladesäule.

Die meisten Lkw-Fahrer, auch die skeptischsten unter ihnen, haben für das Fahrgefühl nur ein Wort: Wow!

DEKRA Ausbilder

Voll geladen nach vier Stunden

Für den Betrieb als Ausbildungsfahrzeug ist dies mehr als ausreichend, da in der Regel keine Langstreckenfahrten anstehen und der Truck während der Nacht geladen werden kann. Am Standort Brabrand stehen dazu drei Smart Charger zur Verfügung, wie Philip Steiner, Regional Sustainability Manager der Region North West Europe, beim Rundgang erzählt. „Die aktuellen AC-Ladegeräte benötigen dazu etwa elf Stunden, mit den bereits geplanten DC-Ladern werden die Volvos bereits nach vier Stunden voll geladen sein. Für die Installation weiterer Ladestationen, auch für Pkw unserer Kollegen und der Lehrgangsteilnehmer, haben wir ums ganze Gelände Leerrohre verlegen lassen.“

Der Unterschied zum Diesel-Lkw

Die Ausbildung zum gewerblichen Lkw-Fahrer, in Dänemark „Arbejdsmarkedsuddanelser“ oder kurz „AMU-Kurser“ genannt, dauert sechs Wochen; Theorie und Praxis wechseln sich ab. Eine Zusatzqualifikation über vier Wochen berechtigt die Fahrer zum Anhängerbetrieb. „Es ist schon sehr von Vorteil, wenn wir außer konventionell angetriebenen Trucks auch Elektro-Lkw als Schulungsfahrzeuge anbieten können“, sagt Steiner. Der Unterschied zu Diesel-Lkw in der Ausbildung ist nicht sehr groß: Er beschränkt sich auf die Einweisung, wie der Strom von der Ladesäule in die Batterie kommt. Lehrgangsteilnehmer Jens macht sich gerade damit vertraut. Er ist selbst Fahrlehrer mit einer eigenen Fahrschule und möchte seine Lizenz erweitern. „Mehr und mehr Kunden verlangen Kenntnisse über Elektro-Fahrzeuge“, erzählt er. „Zum Beispiel Catering-Firmen und der Lebensmittelhandel, denn sie dürfen aus Umwelt- und Lärmschutzgründen bald nur noch mit elektrisch angetriebenen Fahrzeugen in die Innenstädte fahren.“

Fast lautlos über die Straßen

Den Rest der Praxisausbildung vermittelt Fahrlehrer Mads aber unabhängig vom Antrieb der Fahrzeuge. Wie etwa das Koppeln eines Anhängers. Gabriel lernt gerade, wie er sein Zugfahrzeug rückwärts möglichst nahe an den Anhänger manövriert, um ihn dann anzuhängen. Dafür, dass dies erst der zweite Tag seiner Praxisausbildung ist, erledigt er den Job routiniert. „Ich habe Vertrauen in mich selbst“, sagt er begeistert. „Trucks sind eben meine Leidenschaft!“ Von der ersten Fahrt im Elektro-Lkw schwärmt der junge Mann, der hofft, mit der Lizenz auch einen Job zu ergattern: „Es ist unglaublich beruhigend, fast lautlos über die Straße zu gleiten.“

Eine positive Haltung vermitteln

Die Bandbreite der Teilnehmer an den Fahrerschulungen ist groß, wie Mads, der selbst 15 Jahre Lkw fuhr, erzählt. „Rund die Hälfte kommen von Speditionen, die andere Hälfte vom Arbeitsamt. Aber dann haben wir auch Leute, die auf eigene Rechnung kommen – wie Gabriel. Ich würde sagen, dass Lkw-Fahrer eher konservativ sind und schon ihre Vorbehalte gegenüber elektrisch angetriebenen Fahrzeugen haben. Zum Beispiel, dass sie gefährlich wären oder nicht leistungsfähig genug. Mein Job ist es auch, ihnen eine positive Haltung gegenüber der Veränderung zu vermitteln. Zugegeben, die Trucks machen es mir in dieser Hinsicht leicht. Bis jetzt war jeder begeistert.“

Breites Kursangebot für jedermann

Außer der Fahrerausbildung bietet DEKRA am Standort Brabrand auch Gabelstaplerkurse an. Dazu steht eine eigene Ausbildungshalle zur Verfügung, in der es den ganzen Tag über hoch hergeht. Bis zu sieben Gabelstapler, teils mit Elektro-, teils mit Gasbetrieb, manövrieren auf einer Fläche von etwa 1.000 Quadratmetern. Die Fahrer müssen unterschiedliche Übungen erledigen, wie beispielsweise Paletten mit Getränkekisten von einem Regal in ein anderes vorbei an den anderen Gabelstaplern transportieren, teilweise auch über Rampen, vorbei an Absperr-Pollern und anderen Hindernissen. Nebenbei erhalten neun weitere Schulungsteilnehmer eine Einweisung in die Ladungssicherung.

Das Allround-Paket für die Ausbildung

Schulungsräume für den Theorieunterricht der Lkw-Fahrer wie auch der Gabelstaplerfahrer sind am Standort ebenso vorhanden wie auch eine eigene Fahrzeugprüfstation für Lkw, Pkw und Motorräder. Das Glanzstück der Niederlassung ist aber der Pausen- und Aufenthaltsraum, der mit seiner Begrünung, einer großzügigen Glasfront und einer hohen Decke sehr einladend wirkt. „Durch die Pflanzen und ein ausgeklügeltes Beleuchtungskonzept haben wir den Raum freundlich und offen gestaltet“, so Steiner. „Speziell während der langen und dunklen Winterphase hoffen wir, dadurch eine positive Stimmung unter den Teilnehmern und unseren Lehrkräften zu schaffen.“