Lärmbelastung auf der Spur im Steinbruch
Die Kollegen der DEKRA Lärmmessstelle haben eine Akustik-Kamera im Einsatz, die Schall nicht nur hörbar, sondern auch sichtbar machen kann. Ihre Mission: eine hohe Lärmbelastung rechtzeitig erkennen und helfen, sie zu beseitigen – oder gar zu vermeiden.
Alles Geschmackssache – das gilt in vielen Bereichen, aber insbesondere beim Thema Musik. Was der eine als angenehm empfindet, ist für den anderen der pure Krach. Rein physikalisch betrachtet ist er nichts als Schall, also in Schwingung versetzte Luft. Ob Schall negativ als „Lärm“ wahrgenommen wird oder nicht, hängt vom Kontext ab. So kann uns laute Schlagermusik auf der Fahrt in den Urlaub beschwingt und fröhlich machen, während sie extrem nervt, wenn wir uns – gegebenenfalls noch unter Zeitdruck – auf eine komplexe Aufgabe am Arbeitsplatz konzentrieren müssen. Oder wenn wir nachts schlafen wollen. Noch schwieriger wird die Sache, wenn der Schall nicht als Musik daherkommt, sondern als Arbeitslärm.
Grenzwerte müssen eingehalten werden
Industrieanlagen, aber auch Handwerksbetriebe machen Lärm, der krank machen kann, wenn er nicht baulich oder zeitlich so beschränkt wird, dass er geltende Grenzwerte einhält. Festgeschrieben sind diese in der sogenannten Technischen Anweisung (TA) Lärm des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG). Um zu überprüfen, ob die entsprechenden Grenzwerte eingehalten werden, sind Jürgen Hermann und Ilja Richter von der DEKRA Lärmmessstelle im Einsatz. Mit im Gepäck haben sie eine sogenannte Akustik-Kamera.
Lärm im Steinbruch
Hermann und Richter sind vor Ort an einem Steinbruch des Bauunternehmens Lukas Gläser in Kirchberg-Zwingelhausen. Auf dem riesigen, rund 50 Hektar großen Gelände wird durch Sprengung Muschelkalk gewonnen, abgebaut und dann zu Splitt und Schotter zerkleinert. Das Material wird in der eigenen Firma, die sich auf Straßenbau spezialisiert hat, verarbeitet. Eine Asphalt-Mischanlage und der Ver-kauf von größeren Natursteinen ergänzen das Portfolio. Sowohl die Sprengungen als auch die stationären Anlagen und Gebäude (Mahl- und Brechanlagen, Silos, Förderbänder) sowie die mobilen Geräte wie riesige Radlader, Muldenkipper und täglich hin- und herfahrende Lkw sorgen für konstanten Lärm.
Der Steinbruch in seiner jetzigen Form sei behördlich genehmigt und erfülle sämtliche Auflagen, so Juniorchef Cersten Pfisterer. „Nun steht aber die Erweiterung des Steinbruchs um rund 5,5 Hektar an, und wir wollen ein neues Schotterwerk bauen. Weil es auf einem höheren Niveau stehen soll als das jetzige, ändert sich auch die Lärmbelastung der Anwohner der drei umgebenden Ortschaften Zwingelhausen, Fürstenhof und Großaspach.“ Deshalb sind die DEKRA Spezialisten Hermann und Richter mit ihrer Akustik-Kamera hier. Sie sollen ein möglichst genaues Modell der erwarteten Lärmbelastung durch die Erweiterung und den Schotterwerk-Neubau erstellen, damit Lukas Gläser entsprechende Maßnahmen zur Eindämmung planen kann.
Hochinnovative Akustik-Kamera
Konkret steht die Frage im Raum, ob das Schotterwerk als Betonbau realisiert werden sollte oder ob der Schallschutz mit Trapezblechen auf einem Ziegelbau genügt. Herkömmliche Lärmmessungen, etwa mit Schallpegelmessgeräten, liefern allerdings nicht derartig detaillierte Werte, wie es die hochinnovative Akustik-Kamera des Herstellers Norsonic kann: 384 Mini-Kugelmikrofone, verteilt auf drei leicht gewölbte schwarze Flächen (Arrays), nehmen die Schallausbreitung in einem Winkel von 180 Grad auf. Gleichzeitig filmen drei Kameras in der Mitte der Arrays die Schallquelle. Die Software errechnet nun aus den Laufzeitunterschieden der Messsignale zwischen den einzelnen Mikrofonen das Schallfeld und stellt dieses über dem Realbild als farbige „Schallkarte“ in Echtzeit dar. So können die lautesten Schallquellen in geräuschstarken Umgebungen lokalisiert und auf einem Laptop-Monitor sichtbar gemacht werden. Wie auf dem Bild einer Wärmebildkamera er-scheint die lauteste Stelle als roter Punkt. „Kennt man die größten ,Lärm-Übeltäter‘ in einem Betrieb, lassen sich Lärmspitzen oft durch verhältnismäßig kleine Maß-nahmen vermeiden“, erklärt Richter, während er mit seinem Kollegen Hermann das mannshohe Konstrukt der Akustik-Kamera mit Stativ und den auf Stangen beweglichen Arrays aufbaut. „Das kann ein loses schepperndes Blech an einer Maschine sein oder ein unscheinbares offenes Loch, durch das Lärm aus einem Betrieb nach außen gelangt.“
Lärm ist ein sensibles Thema
Der Standort für die Akustik-Kamera ist gut gewählt, mit unverstelltem Blick auf die Deponie, wo ein großer Radlader Lkws mit Kies belädt. Nach rund 20 Minuten ist die Kamera einsatzbereit und liefert ab: Die geräuschintensiven Bereiche, beispielsweise durch den Motor unter Belastung oder durch den aus der Schaufel rieselnden Kies, sind auf dem Monitor der Kamera gut zu erkennen. Das übliche Warnsignal, das beim Rückwärtsfahren der schweren Baumaschinen ertönt, ist hier übrigens sehr leise zu hören. Stattdessen sind die Radlader und Muldenkipper mit „weißem Rauschen“ ausgerüstet. Juniorchef Pfisterer: „Wir hatten tatsächlich Beschwerden der Anwohner wegen des als störend empfundenen ,Piepsens‘ unse-rer Maschinen und haben uns nach zugelassenen Alternativen umgesehen und umgerüstet. Daran kann man auch sehen, wie sensibel das Thema Lärm – neben der Staubbelastung natürlich – ist.“
Wie wir alle selbst schon erfahren haben, spielen viele Faktoren bei der Betrachtung von Lärm eine Rolle – beispielsweise, wie der Wind steht und eben, wie in diesem Fall, die Höhe der Schallquelle im Gelände.
Jürgen Hermann, DEKRA Lärmmessstelle
Lärmproblem behoben
Die Prognosen über zu erwartende Lärmbelastungen seien alles andere als einfach, erzählt Jürgen Hermann: „Wie wir alle selbst schon erfahren haben, spielen viele Faktoren bei der Betrachtung von Lärm eine Rolle – beispielsweise, wie der Wind steht und eben, wie in diesem Fall, die Höhe der Schallquelle im Gelände.“ Mehrere Messungen, natürlich auch wenn gesprengt wurde, waren bislang nötig. Die Akustik-Kamera stellt für die Kunden eine verblüffend einfache Möglichkeit dar, der Lärmbelastung in ihrem Industrie- oder Gewerbebetrieb auf die Schliche zu kommen, oft zum Bruchteil der Kosten, die ein Verstoß gegen die behördlichen Aufla-gen nach sich ziehen würde. Oder wie es Ilja Richter ausdrückt: „Wenn wir mit der Kamera kommen, gibt es meistens ein Lärmproblem.“ Ein Problem, das man manchmal mit verblüffend einfachen Maßnahmen beheben kann.