Im Auftrag der Sicherheit für die Formel 1
Author: Bianca Leppert
Bernd Mayländer hat einen Job, von dem viele träumen. Der 52-Jährige ist seit mehr als 24 Jahren der offizielle Safety-Car-Fahrer der Formel 1. Doch was bedeutet das genau? Im Interview gibt er uns einen Blick hinter die Kulissen.
Wie wird man Safety-Car-Fahrer in der Formel 1?
Sagen wir mal so: Es gibt keine E-Mail Adresse, an die man seine Zeugnisse schicken kann (lacht). Als ich 1999 im Porsche Supercup selbst Rennen gefahren bin, wurde ich gefragt, ob ich in der Formel 3000 das Safety Car fahren will. Ein Jahr später sollte ich diese Aufgabe auch in der Formel 1 übernehmen. Für mich war klar: Das mache ich. Es geht dabei auch ein bisschen um die Mentalität. Ich stehe für fairen Sport und für Neutralität. Dass ich schon in die 25. Saison gehe, hätte ich nicht erwartet. Ich denke auch nicht ans Aufhören. Schließlich spielt Erfahrung eine große Rolle. Es kommt nicht auf die halbe Sekunde an. Das Safety Car ist ja ein Sicherheitsfahrzeug.
Wie trägt ein Safety Car zu mehr Sicherheit bei einem Formel-1-Rennen bei?
Die schönsten Rennen sind die, in denen es keine Safety-Car-Phase gibt. Ich bin zwar vor Ort und komme nicht zum Einsatz, aber das bedeutet auch, dass nichts passiert ist. Grundsätzlich nimmt man mit der Safety-Car-Phase dem Fahrer das Risiko ab, eine gefährliche Situation auszulösen. Typische Momente sind etwa ein Unfall, oder wenn ein Auto aufgrund eines technischen Defekts stehen bleibt und es dadurch etwa auf engen Straßenkursen wie Monaco, Baku oder Singapur bedrohlich werden kann, es zu bergen. Auch stark einsetzender Regen ist ein Szenario. Die Autos schwimmen dann auf und die Geschwindigkeit muss gedrosselt werden. Sobald irgendwo eine Gefahr abzusehen ist, neutralisiert man ein Rennen mit dem so genannten virtuellen Safety Car. Das gibt es seit 2016 und kann schneller eingesetzt werden, weil es dem Fahrer virtuell im Cockpit vorgibt, wie sehr er verlangsamen muss.
Wie schnell fahren Sie mit dem Safety Car?
Das ist unterschiedlich. Die Höchstgeschwindigkeit war 306 km/h beim Großen Preis von Las Vegas. Das ist aber die Ausnahme. Die Formel 1 fährt an der gleichen Stelle rund 350 km/h. Während einer Safety-Car-Phase im Rennen geht es darum, die ideale Geschwindigkeit zu finden, damit die Piloten die Energie in Reifen und Bremsen aufrechterhalten können – das sind etwa 240 km/h auf der Geraden. In den Kurven bist du mit einem Safety Car immer am Limit – weil der Geschwindigkeitsunterschied von einem Sportwagen zu einem Formel-1-Auto so groß ist.
„Die schönsten Rennen sind die, in denen es keine Safety-Car-Phase gibt.“
Bernd Mayländer, FIA F1 Safety Car Fahrer
Hatten Sie auch schon einen Moment, in dem Sie über dem Limit waren?
Auf trockener Strecke noch nie. Aber bei Regen fährt man im Gegensatz zu den Formel-1-Autos mit einem Straßenreifen – nicht mit einem speziellen Regen-Rennreifen. Im Jahr 2011 hatte ich einen Aha-Moment in Shanghai. Auf einer Pfütze ist das Heck ausgebrochen. Da meinte sogar Sebastian Vettel, der hinter mir fuhr: "Oh, das war aber knapp." Ich war froh, dass alles gut ging. Um solchen Momenten gewachsen zu sein, sitzt ein professioneller Fahrer im Safety Car.
Welche Aufgaben haben Sie noch an einem Rennwochenende?
Formel 2, Formel 3 oder der Porsche Supercup und die neue F1 Academy nutzen ebenfalls das Safety Car. Ich bin also schon ab Samstagmorgen pünktlich zu den ersten Rennen im Einsatz. Daneben bin ich bei den Fahrerbesprechungen dabei und in den Meetings der FIA, der obersten internationalen Motorsportbehörde. Darüber hinaus erkläre ich Gästen die Funktionen des Safety Cars. Kommt es zu einem Einsatz während eines Rennens, machen wir jedes Mal eine Nachbesprechung.
Was macht diesen Job nach so vielen Jahren immer noch so reizvoll für Sie?
Du bist in der höchsten Kategorie des Automobilsports unterwegs, bei allen Formel-1-Rennen und siehst die Entwicklungen der Teams. Ich durfte über so eine lange Ära dabei sein – von Mika Häkkinen über Michael Schumacher bis heute. Es ist eine Faszination, die über die Jahre noch weiter gewachsen ist. Früher habe ich mir über Sicherheit kaum Gedanken gemacht, doch dann hat es mal gekracht. Das war eine Art Auslöser, mich damit zu beschäftigen. Ich hinterfrage immer, wie man etwas besser und sicherer machen kann. Eine Aufgabe, die nie endet.
Was gehört da beispielsweise dazu?
Ich bin Teil der so genannten "Circuit Commission" (Rennstrecken-Kommission) der FIA. Die plant und lizensiert die Rennstrecken weltweit. In diesem Rahmen sprechen wir über Unfälle, und was man verändern muss. Das ist ein großes Gremium. Zudem redet man zum Beispiel mit Herstellern von Sturzhelmen und Rennanzügen. Es ist enorm, was sich in den letzten Jahren in Sachen Sicherheit verändert hat.
Erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Einsatz als Safety-Car-Fahrer?
Das war in Melbourne in Australien im Jahr 2000. Ich war zuvor schon einmal mit dem Porsche Supercup dort. Ich kannte die Strecke und die Stadt. Aber in der neuen Funktion mittendrin auf der Startaufstellung zu stehen und einen Arnold Schwarzenegger zu sehen, dem die Leute zujubelten, war speziell. Es hat mir Respekt eingeflößt. Ich hatte damals aber einen sehr erfahrenen Beifahrer. Heute habe ich ebenfalls Erfahrung. Aber jeder Einsatz ist unterschiedlich – deshalb bleibt es so spannend.
Warum gibt es eigentlich einen Beifahrer im Safety Car?
Er konzentriert sich auf den Funkverkehr – man selbst könnte ja etwas überhören. Er bedient auch die Knöpfe am Funk und die Lichtanlage. Wir helfen uns gegenseitig. Es ist wie im Flugzeugcockpit. Vier Augen sehen mehr als nur zwei – so minimiert man das Risiko noch besser.
Sind Sie selbst im Straßenverkehr ein guter Beifahrer?
Wenn ich merke, jemand will unbedingt schnell fahren, sage ich auch etwas. Für mich gilt es im Straßenverkehr, immer nur so schnell zu fahren, wie es der Verkehr erlaubt und wie ich kann. Meine Frau sagt ab und zu: Du kannst ruhig mal schneller fahren. Ich habe aber manchmal keine Lust, weil wir uns gerade gut unterhalten. Wenn die Autobahn frei ist und man hat ein schönes Auto dabei, fahre ich zügig – aber nur, wenn ich es kann.
Was machen Sie in der Zeit zwischen den Rennwochenenden?
Bei 24 Rennen im Jahr wird die Zeit natürlich knapp. Da steht die Familie mit meiner Frau und meinen Kindern im Vordergrund. Zudem treibe ich regelmäßig Sport. Ich habe außerdem einen eigenen Wein, um den ich mich auch ein bisschen kümmern muss. Und natürlich tolle Partner wie DEKRA, mit denen ich an vielen Projekten arbeite.