Automarken: Auf ein Neues
Author: Achim Geiger
Manchmal taucht eine verschwundene Automarke wieder aus der Versenkung auf. Dahinter steht häufig ein Unternehmen, das den guten Namen der historischen Marke nutzen will. Doch der Rückgriff auf die Markengeschichte birgt Risiken.
Automobilhersteller müssen bisweilen einen Schritt zurück in die Vergangenheit machen, damit sich ihnen ein Weg in die Zukunft öffnet. Wenn zum Beispiel ein Start-up ein neues Elektroauto auf den Markt bringen will, ist das Label für das Projekt mindestens ebenso wichtig wie Design und Leistung. Schließlich kann es den Erfolg eines Fahrzeugs enorm befördern, wenn sich der richtige Markenname an der Karosserie befindet. Woher aber den Namen nehmen und nicht stehlen? Und warum nicht einer bereits verschwundenen Marke neues Leben einhauchen? In der Autoindustrie ist der Griff in die Markengeschichte ein probates Instrument. „Markenrechte zu erwerben ist einfacher, als eine neue Marke aufzubauen. Das bietet einem Autobauer die Chance, beim Kunden Vertrauen und einen Wiedererkennungseffekt zu schaffen“, weiß der Oldtimer-Experte Andreas Lahne, der die Aktivitäten der DEKRA Classic Services koordiniert.
Die Traditionsmarke MG fährt nach der Wiedergeburt heute elektrisch
Die Strahlkraft einer Marke kann ein wertvolles Startkapital sein. Andererseits bietet ein guter Markenname allein keine Garantie dafür, dass das Produkt beim Kunden ankommt. Wenn das anders wäre, würden heute noch Autos der Marke Borgward bei den Händlern stehen und ihren Käufern deutsche Wertarbeit und Ingenieurskunst versprechen. Doch hier ist das Gegenteil der Fall: Die 2015 unter Regie des chinesischen Lastwagenbauers Foton gestartete Neuauflage der Wirtschaftswunder-Marke ist im April 2022 vollends gescheitert. Wie es heißt, soll es zwischen dem deutschen und chinesischen Management zu Differenzen und Kompetenzproblemen gekommen sein. Dabei hätten Qualitätsmängel und unterschiedliche technologische Konzepte eine Rolle gespielt.
Deutlich besser als Borgward ergeht es der Marke MG, nachdem sich mit der MG Rover Group 2005 der letzte europäische Besitzer vom Markt verabschiedet hatte. Der Autohersteller Shanghai Automotive Industry Corporation (SAIC) hat die Renaissance der Marke seit 2007 behutsam in die Wege geleitet: Design und Produktentwicklung blieben in der Obhut der Entwicklungsabteilung im britischen Birmingham. Zudem kamen die Fahrzeuge zuerst nur in China und in Großbritannien auf den Markt. Seit 2020 startet MG Motor auf dem europäischen Festland durch. Der Fokus liegt auf elektrischen Antrieben. Das Portfolio umfasst mehrere SUV-Modelle, einen Kombi und die brandneue Fließhecklimousine MG4 Electric. Die Wiedergeburt der traditionsreichen Marke scheint zu gelingen: In der öffentlichen Wahrnehmung gilt MG immer noch als britischer Hersteller, auch wenn das Auto aus chinesischer Produktion kommt. Als typische Markenwerte zitiert man fortschrittliche und durchdachte Technologie und modernes Design.
Das Hypercar De Tomaso P72 knüpft an legendäre Vorbilder an
Ein neues Produkt sollte im Idealfall an die mit dem Markennamen verbundene Tradition anknüpfen. Welcher Markenname wäre demnach der richtige für ein Hypercar mit Flügeltüren und schwungvollen Formen, das von einem rund 700 PS starken Fünfliter-V8 mit Kompressoraufladung angetrieben wird? Der Name De Tomaso könnte perfekt passen – immerhin hat der Rennfahrer Alejandro de Tomaso mit seiner 1959 gegründeten Firma exklusive Sportwagen wie Mangusta und Pantera auf die Räder gestellt. Nach dem Tod von De Tomaso im Jahr 2003 durchlief das Unternehmen eine wechselvolle Markengeschichte, bis sich 2015 der chinesische Investor Ideal Team Venture die Namensrechte sicherte. Logisch also, dass das Hypercar in die Fußstapfen seiner Vorbilder treten soll. In einer Fabrik am Nürburgring werden gerade die ersten Modelle des De Tomaso P72 montiert – wobei die Zahl 72 ein Hinweis darauf ist, dass das Modell nur in einer Serie von 72 Einheiten aufgelegt werden soll.
Über die Renaissance der Marke Hispano Suiza könnten Gerichte entscheiden
Der Marke Hispano Suiza könnte ebenfalls eine bemerkenswerte Renaissance bevorstehen. La Hispano-Suiza Fábrica de Automóviles S.A. hat nach dem Ersten Weltkrieg Fahrzeuge gebaut, die als Inbegriff von Leistung, Luxus und Sportlichkeit galten. Ende der 1930er-Jahre verliert sich jedoch die Spur der Marke. Die Kandidaten für die Neuauflage sind zwei Supersportler mit Gänsehautfaktor: Der Hispano Suiza Maguari HS1 GTC präsentiert sich mit einem 5,5 Liter großen V10-Triebwerk mit 1.200 PS, der Hispano Suiza Carmen setzt auf ein elektrisches Antriebsmodell mit einer Systemleistung von über 1.000 PS. Hinter den Boliden stehen indes nicht nur verschiedene Fahrzeugkonzepte, sondern auch verschiedene Hersteller. Im Fall des Maguari HS1 GTC ist das die Hispano Suiza Automobilmanufaktur AG mit Sitz in der Schweiz. Für den Carmen zeichnet der Autobauer Hispano Suiza Cars, S.L. in Barcelona verantwortlich, der vom Urenkel des ursprünglichen Firmengründers geleitet wird. Hier wie dort wird deutlich, dass sich beide Projekte als Fortsetzung der Traditionsmarke verstehen – und den geschäftlichen Erfolg auf deren historischen Ruf aufbauen wollen. Die Akteure befinden sich deshalb seit Jahren in einem juristischen Clinch wegen einer möglichen Verletzung der Markenrechte.
Das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum wahrt Markenrechte
Dass die beste Zeit von Hispano Suiza schon viele Jahrzehnte zurückliegt, hat in der rechtlichen Gesamtbetrachtung des konkreten Falls nur untergeordnete Relevanz: „Auch eine Marke, die nicht mehr eingetragen ist, kann einen gewissen Rechtsschutz genießen, wenn ihr historischer Ruf eine dem Verkehr weiterhin bekannte Tatsache darstellt“, erklärt der auf Marken- und Wettbewerbsrecht spezialisierte Rechtsanwalt Thorsten Klinger von der Wirtschaftskanzlei Hogan Lovells International LLP in Hamburg. Das im spanischen Alicante residierende Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) hat im September 2022 in dieser Sache eine wichtige Entscheidung gefällt: „Das EUIPO hat das in Anlehnung an das alte Hispano Suiza-Logo gestaltete Logo der Hispano Suiza Automobilmanufaktur AG als sogenannte Unionsbildmarke für nichtig erklärt. Darüber hinaus läuft gegen eine ebenfalls auf Unionsebene angemeldete Logomarke „Hispano Suiza“, die auch Autos erfasst, ein Widerspruchsverfahren, über das aber noch nicht entschieden ist“, berichtet Markenexperte Thorsten Klinger.
Kommt die Kultmarke DeLorean demnächst zurück in die Zukunft?
Auch die 80er-Jahre-Marke DeLorean könnte demnächst im Mittelpunkt eines Krimis im Genre Markenrecht stehen. Bekannt ist die DeLorean Motor Company (DMC) für ihren Flügeltürer DMC-12, der es in der Sciencefiction-Trilogie „Zurück in die Zukunft“ zu Filmruhm gebracht hat. Nach rund 8.600 gebauten Einheiten musste das Unternehmen 1984 Konkurs anmelden. Später folgte ein handfester Streit um die Markenrechte. Die Witwe von John DeLorean hat 2014 die neun Jahre zuvor in Texas neu gegründete DeLorean Motor Company (DMC) wegen missbräuchlicher Verwendung von Marken und Bildern der ursprünglichen DMC vor Gericht gebracht. Der Rechtsstreit endete ein Jahr später mit einem Vergleich, der DMC die Rechte zur Verwendung des Namens, der Marken und des Logos der DeLorean Motor Company zusprach. Jetzt nutzen die Texaner ihr Kapital: Im Mai 2022 stellte DMC den DeLorean Alpha5 EV vor – ein elegantes Coupé mit Flügeltüren als Neuinterpretation des DMC-12. Seit Oktober 2022 ist mit DNG Motors allerdings ein neuer Player im Spiel. Das Unternehmen wurde von Kat DeLorean gegründet, der Tochter des Markengründers. Das Kürzel DNG steht für DeLorean Next Generation und damit den Anspruch, das Vermächtnis von John DeLorean fortzuführen. Im September 2023 will man als Weiterentwicklung des kultigen DMC-12 einen Elektro-Sportwagen unter dem Namen DNG JZD vorstellen. Ob das Revival dann ohne juristisches Tauziehen über die Bühne gehen kann, steht in den Sternen.