Elektroauto: Unter der Haube effizient
Author: Joachim Geiger
Wenn es nur um die Ästhetik ginge, hätte ein E-Motor der Eleganz eines Sechszylinders wenig entgegenzusetzen. Genau genommen wäre das ein kompaktes Gehäuse, Magnete, Kupferdraht und eine Welle – das Potenzial für die große Show ist eher gering. E-Motoren müssen durch innere Werte überzeugen. Davon haben sie eine ganze Menge.
„Einer der großen Vorteile des Elektromotors ist die Effizienz, mit der er seine Energie in mechanische Antriebsleistung umsetzt. Vor allem im Stadtverkehr schlägt er einen Verbrenner um Längen“, weiß der Entwicklungsingenieur Andreas Richter vom DEKRA Kompetenzzentrum Elektromobilität. Aus technologischer Sicht spräche also nichts dagegen, die Brötchen beim Bäcker mit dem Elektroauto zu holen. Anders als ein Verbrenner hat der Stromer mit Kaltstart und Verschleiß kein Problem. Wie Andreas Richter erklärt, besitzen Motoren von E-Autos einen sehr hohen Wirkungsgrad, der über 90 Prozent liegen kann. Der größte Teil der eingesetzten Energie wird demnach fürs Fahren genutzt. Deutlich schlechter fällt die Bilanz bei Verbrennungsmotoren aus – in der Stadt kann der Wirkungsgrad unter zehn Prozent liegen, während er bei mittlerer bis hoher Last auf Wirkungsgrade im Bereich von 25 bis 40 Prozent kommt. Der Rest der Energie geht als ungenutzte Wärme verloren.
Ob Elektroauto oder Waschmaschine – der Grundaufbau des Motors ist gleich
Elektromotoren sind eine seit vielen Jahrzehnten in vielfältigen Anwendungen bewährte Technologie. Daher unterscheidet sich der Motor im E-Auto im grundlegenden Aufbau auch kaum vom Antrieb einer Waschmaschine. Zum Einsatz kommen meistens Wechselstrommotoren, genauer: Drehstrommotoren. Das bedeutet, dass der Wechselstrom über drei voneinander getrennte Leiter (Phasen) zum Motorgehäuse fließt. In seinem Inneren befinden sich die beiden maßgeblichen Akteure des Antriebs, die im Zusammenspiel von elektrischen und magnetischen Kräften die von der Batterie abgerufene Energie in eine mechanische Leistung für den Vortrieb verwandeln. Der Stator ist gewissermaßen Chef im Gehäuse und zuständig für Leistung und Effizienz. Der Rotor wiederum ist im Inneren des zylindrischen Stators drehbar gelagert und zur Kraftübertragung fest mit einer Stahlwelle verbunden. Das Zusammenspiel der beiden beginnt in dem Moment, in dem das Fahrzeug gestartet wird.
Das Wechselspiel der magnetischen Kräfte bringt die Motorwelle zum Drehen
Im elektrischen Betrieb fließt über die Anschlüsse am Motorgehäuse der Wechselstrom zu den Spulen im Stator. Diese erzeugen dann in kurzen periodischen Zeitabständen immer wieder ein neues Magnetfeld. Allerdings entstehen die Magnetfelder an den verschiedenen Spulen stets mit einen zeitlichen Versatz zueinander – dadurch entwickelt sich im Inneren des Stators das so genannte Drehfeld. Wie aber kommt die Drehbewegung des Rotors zustande? Das hängt von der Bauart des E-Motors ab.
Bei Synchronmotoren erzeugen die Rotoren ein eigenes Magnetfeld. In Frage kommen dazu Magnete, die ein permanentes Magnetfeld besitzen – in diesem Fall spricht man von einem permanenterregten Synchronmotor (PSM). Der Rotor lässt sich aber auch mit Hilfe von Gleichstrom zu einem Elektromagneten machen – das System ist dann ein fremderregter Synchronmotor (FSM). Hier wie dort treten die Magnetfelder von Stator und Rotor durch Anziehung und Abstoßung ihrer Pole in Wechselwirkung. Dadurch entsteht eine Drehbewegung, bei der sich der Rotor synchron zum Drehfeld des Stators dreht.
Ein anderes Prinzip kommt in Asynchronmotoren zum Einsatz. Hier besitzt der Rotor in der Regel weder Magnete noch eine eigene Stromversorgung. Statt dessen induziert das Drehfeld des Stators einen Strom in den Leiterstäben des Rotors, die dann ein Magnetfeld aufbauen. Bei diesem System dreht sich der Rotor stets einen Tick langsamer als das Drehfeld des Stators – daher der Name Asynchronmotor. Diese Bauart gilt als besonders robust und punktet bei hohen Drehzahlen mit hoher Standfestigkeit. Synchronmotoren dagegen bieten Vorteile im Hinblick auf Leistungsdichte und Wirkungsgrad.
Die Leistungselektronik übernimmt das Management der Stromversorgung
Für die Motorenentwickler besteht eine Herausforderung darin, Fahrzeug und Aggregat auf das gewünschte Fahrprofil abzustimmen. Das mag bei einem Kleinwagen einfacher sein als bei einem SUV mit deutlich breiter gespreizter Nutzung. In beiden Fällen ist jedoch die Leistungselektronik ein wichtiger Akteur im Antriebskonzept. Sie ist die Instanz, die unter anderem für das Management der Stromversorgung des Motors verantwortlich ist. Soll das Fahrzeug zum Beispiel beschleunigen, ermittelt die Leistungselektronik anhand der Stellung des Fahrpedals, wie viel zusätzliche Energie benötigt wird. Da der Akku nur Gleichstrom abgibt, muss die Elektronik den Strom in der richtigen Form, Stärke und Frequenz zur Verfügung stellen. Bei der Rekuperation dagegen übernimmt sie die Aufgabe, die in elektrische Energie umgewandelte Bremsenergie in Gleichstrom zu verwandeln und in den Akku einzuspeisen. Darüber hinaus hat die Leistungselektronik jederzeit die Drehzahl und Leistung des Motors im Blick. Sie kennt die Befindlichkeiten der Batteriezellen und kommuniziert beim Laden mit den Ladestationen.
- Gut zu wissen: E- Motoren können auch Generator-Modus. In diesem Fall wandeln sie beim Verzögern mechanische Energie in elektrische um und laden damit die Batterie. Durch diese so genannte Rekuperation erhöht sich die Reichweite des Elektroautos. Das ist vor allem dort besonders effizient, wo häufiger gebremst werden muss – etwa auf Strecken mit Gefälle oder im Stadtverkehr mit häufig wechselnden Geschwindigkeiten. Geübte Fahrer können durch cleveres Nutzen der Rekuperation bis zu 20 Prozent mehr Reichweite erzielen, schätzt DEKRA Experte Andreas Richter.
Das Leistungsvermögen des Elektromotors zeigt sich auf der Straße
Wer das E-Auto als Zweitwagen oder als reines Stadtfahrzeug einsetzt, kann sich mit weniger Leistung zufrieden geben. Selbst mit einem nominell schwachen Motor ist das zügige Fahren im Stadtverkehr gut möglich. „Das liegt daran, dass das maximal verfügbare Drehmoment eines Elektromotors beim Beschleunigen aus dem Stand nahezu komplett verfügbar ist“, sagt Entwicklungsingenieur Andreas Richter. Auf der Landstraße oder der Autobahn geht dem Vorwärtsdrang eines kleineren Motors allerdings früher oder später die Luft aus. Sie spielen dann zwar ihr maximales Drehmoment über das verfügbare Drehzahlband aus – aber nur so lange, bis sie ihre maximale Leistung erreicht haben. An diesem Punkt angekommen, nimmt die Beschleunigungskraft deutlich ab. Wer jedoch Wert auf einen dynamischen Zwischenspurt beim Überholen oder eine möglichst hohe Geschwindigkeit legt, braucht dafür deutlich mehr Power vom Elektromotor. Gäbe es eine Spaßformel fürs Elektroauto, dann müsste sie lauten: „Leistung ist nur durch noch mehr Leistung zu ersetzen.“
- Gut zu wissen: Effiziente Motorleistung in allen Fahrsituationen. Ein Elektromotor kann seine ganze Leistungsfähigkeit theoretisch auch beim Rückwärtsfahren oder beim Rekuperieren ausspielen. Wie DEKRA Experte Richter erklärt, konzipieren die Hersteller die Kennlinien ihrer E-Motoren jedoch so, dass stets ein sicheres Fahrverhalten möglich ist und sich die Technik verschleißarm nutzen lässt. Aus diesem Grund ist die Leistung des Elektromotors beim Rückwärtsfahren und Rekuperieren in der Regel stark reduziert. Auch auf der Autobahn lässt sich eine energieeffiziente Nutzung des E-Motors problemlos realisieren. Dazu reicht es, die Geschwindigkeit zu reduzieren – dadurch sinkt der mit der Geschwindigkeit quadratisch ansteigende Luftwiderstand.
Das Getriebe ist ein wichtiger Player im Antriebsstrang
Damit die mechanische Leistung die Räder bestmöglich erreicht, kommt neben Motor und Leistungselektronik das Getriebe als dritter Player ins Spiel. Da Elektromotoren ihre Power über ein breites Drehzahlband zur Verfügung stellen, braucht es zwar keine Schaltung wie bei einem Verbrenner, um Drehmoment und Leistung stets im optimalen Drehzahlbereich zu halten. Trotzdem haben auch Elektroautos ein Getriebe an Bord. Das liegt daran, dass die Welle des Rotors mit enorm hohen Drehzahlen drehen kann. Die Antriebswelle zur Übertragung der mechanischen Leistung an die Räder muss jedoch deutlich langsamer drehen. Dazu setzen die Autobauer in der Regel auf ein einstufiges Getriebe, das die Drehzahl reduziert. Bei der Auslegung des Getriebes gibt es allerdings Spielräume. Der Porsche Taycan zum Beispiel hat ein Zweigang-Getriebe an Bord, das eine maximale Beschleunigung und eine hohe Endgeschwindigkeit ermöglichen soll. Auch leistungsstarke Limousinen könnten von einem Zweigang-Getriebe profitieren. Der Automobilzulieferer ZF geht davon aus, dass sich dadurch der Wirkungsgrad des Elektroantriebs um fünf Prozent verbessern lässt. In der Praxis würde das ein Plus an Reichweite bedeuten. Denkbar wäre aber auch, auf die Reichweite zu verzichten und statt dessen eine kleinere Batterie ins Fahrzeug einzubauen. Wie aber ist es beim Elektroantrieb um den Rückwärtsgang bestellt? Den sparen sich die Ingenieure gerne. Schließlich reicht es, zum Rückwärtsfahren einfach die Drehrichtung des Elektromotors zu ändern.
- Gut zu wissen: Das Getriebe wird im E-Auto immer wichtiger. Volkswagen stattet den ID3 mit einem einstufigen Getriebe aus. Da das Elektroauto die Höchstgeschwindigkeit von 160 Stundenkilometern bei maximal 16.000 Umdrehungen pro Minute erreicht, war eine Lösung gefragt, um für die Umdrehungen der Antriebswelle am Rad eine Übersetzung ins Langsame zu erreichen. Um Bauraum zu sparen, verwenden die Ingenieure statt eines großen Zahnrads zwei kleinere Zahnräder, die als Zwischenübersetzung funktionieren. Auch die Automobilzulieferer sind mit eigenen Entwicklungen auf dem Markt. Bosch zum Beispiel hat gerade gemeinsam mit der Technischen Universität Eindhoven ein Automatikgetriebe entwickelt, das Drehzahl und das Drehmoment des E-Motors stufenlos an die Geschwindigkeit des Fahrzeugs anpasst.