DEKRAbonisierung: Grüner Wasserstoff für eine nachhaltige Industrie

05. Sept. 2024

Der Einsatz von Wasserstoff war bisher vor allem spezifischen Anwendungen vorbehalten. Als wichtiger Baustein für eine klimaneutrale Zukunft wird grüner Wasserstoff immer stärker Einzug in unseren Alltag halten. Die Rahmenbedingungen für eine sektorenübergreifende Wasserstoff-Wirtschaft müssen teils noch definiert werden – auf dem Weg dahin bietet DEKRA jetzt schon umfassende Dienstleistungen entlang der gesamten Wertschöpfungskette an.

Um den Klimazielen gerecht zu werden, die beim Pariser Abkommen 2015 vereinbart wurden, verabschiedete die Europäische Kommission 2019 den sogenannten Green Deal. Dieser sieht die Treibhausgasneutralität aller EU-Mitgliedsstaaten bis 2050 vor. Das Klimaschutzgesetz der Bundesregierung möchte dieses Vorhaben auf nationaler Ebene bereits bis 2045 realisieren – eine ambitionierte Zielsetzung, die langsam Gestalt annimmt. Um weltweit Klimaneutralität zu erreichen, muss ein Wechsel von CO2-lastigen Energieträgern zugunsten emissionsloser Substitute erfolgen. Grüner Wasserstoff und seine Derivate gelten aufgrund ihres breitgefächerten Anwendungspotenzials als sektorenübergreifende Lösungen für eine nachhaltige Wirtschaft – sei es als universell einsetzbarer Energiespeicher, Treibstoff im Mobilitätssektor oder Ausgangsrohstoff und Energievektor in der Industrie.

Priorisierung der Anwendungsbereiche

Im Gegensatz zu grauem Wasserstoff, der vielerorts noch zum Industriestandard zählt, ist der Herstellungsprozess seines grünen Pendants emissionslos. Laut der Internationalen Agentur für Erneuerbare Energien (IRENA) soll grüner Wasserstoff bis 2030 sogar preislich mit fossilen Brennstoffen konkurrieren können. In der EU ist die grüne Wasserstoffproduktion derzeit im Hochlauf und deshalb noch mit hohen Kosten verbunden. Ein Grund, weshalb bestimmte Anwendungsbereiche priorisiert werden müssen.
Das Anwendungspotenzial von grünem Wasserstoff muss realistisch in Hinblick auf seine sektorale Effektivität definiert werden – das betont Dr. Christoph Flink, VP Hydrogen Economy bei DEKRA: „Die Marktentwicklung hängt davon ab, über welchen Sektor wir sprechen. Insbesondere die emissionsstarken Industrien werden künftig auf grünen Wasserstoff setzen – beispielsweise als Rohstoff zur Reduzierung von Eisenerz in der Stahlindustrie, zur Ammoniakherstellung in der Düngemittelproduktion oder zur Methanol-Synthetisierung für die Chemieindustrie. Aber auch als Brennstoff für emissionslose Prozesswärme, wie sie beispielsweise bei der Papier- oder Glasproduktion benötigt wird. Im Mobilitätsbereich werden derzeit noch andere Optionen diskutiert.“ Nichtsdestotrotz wurden im DEKRA Technology Center in Klettwitz, dem europaweit größten Testgelände für automatisiertes und vernetztes Fahren, bereits richtungsweisende Fortschritte im Bereich der Hydrogen Mobility erzielt.

Dekarbonisierung in der Industrie

Grüner Wasserstoff und seine Derivate, also die Synthetisierung mit anderen Elementen, gelten als geeignete Lösungen, um die sogenannten Hard-to-Abate-Sektoren im Zuge der Energiewende zu dekarbonisieren. Hierbei handelt es sich um energieintensive Industrien, die laut IRENA knapp ein Viertel des weltweiten Energieverbrauchs sowie ein Fünftel der globalen CO2-Emissionen verantworten. Eine grüne Wasserstoff-Wirtschaft bildet das Fundament, um die emissionsstarke Industrie durch Sektorenkopplung nachhaltig zu entlasten.
„Die Sektorenkopplung spielt in Hinsicht auf die industrielle Dekarbonisierung eine entscheidende Rolle“, erklärt Dr. Christoph Flink. Hierbei sollen die energieverbrauchenden Sektoren (Elektrizität, Wärmeversorgung, Verkehr und Industrie) vernetzt werden, um ihre Energie kollektiv aus „sauberen“ Quellen zu beziehen. „Sektoren, die nicht vollständig elektrifiziert werden können, profitieren von der Sektorenkopplung und der damit einhergehenden CO2-Reduktion“, resümiert Dr. Christoph Flink.

Wasserstoff-Hochlauf auf EU-Ebene

Emissionsloser Wasserstoff ist keine Ad-hoc-Lösung, sondern eine zukunftsfähige Langzeitoption. Richtungsweisend für eine flächendeckende Wasserstoff-Wirtschaft innerhalb der EU ist unter anderem die Initiative REPowerEU, die im Mai 2022 von der EU ins Leben gerufen wurde, um beim Import fossiler Brennstoffe unabhängiger von Russland zu werden. Durch REPowerEU sollen bis 2030 innerhalb der EU 10 Millionen Tonnen erneuerbaren Wasserstoffs erzeugt und weitere 10 Millionen Tonnen importiert werden.
Bis 2030 fordert RepowerEU die Produktion von 10 Millionen Tonnen grünen Wasserstoffs sowie den Import weiterer 10 Millionen Tonnen. Weil die perspektivische Nachfrage vieler Mitgliedsstaaten nicht durch die Eigenproduktion gedeckt werden kann, ist der Wasserstoff-Import für einen schnellstmöglichen Hochlauf unabdingbar.

Ausbau der Pipeline-Infrastruktur

In Deutschland bestimmen die Nationale Wasserstoff-Strategie von 2020 sowie deren Fortschreibung von 2023 den wirtschaftspolitischen Rahmen für eine florierende Wasserstoff-Wirtschaft. Darüber hinaus wurde im Frühjahr 2024 der Aufbau eines Wasserstoff-Kernnetzes mit einer Gesamtlänge von 9.700 Kilometern gesetzlich geregelt.
Die vorhandenen Erdgas-Pipelines sollen rund 60 Prozent des künftigen Wasserstoff-Netzes ausmachen, müssen für einen flächendeckenden Wasserstoff-Transport jedoch teils wiederverwendet werden. Das sogenannte Repurposing der bestehenden Infrastruktur ist kosten- und ressourceneffizient. „Ohne die Wiederverwendung bestehender Erdgasleitungen wäre ein weitreichendes Pipeline-System kaum zu bewerkstelligen. Die Erwartung der Expertengemeinschaft für Wasserstoff-Infrastruktur ist, dass nur 40 Prozent des geplanten Fernleitungsnetzes neu errichtet werden müssen“, sagt Dr. Christoph Flink.

Mehr Akzeptanz für grünen Wasserstoff

DEKRA leistet mit zahlreichen Dienstleistungen entlang der gesamten Wasserstoff-Wertschöpfungskette bereits einen substanziellen Beitrag zum Ausbau der Wasserstoff-Infrastruktur. In folgenden Bereichen bietet DEKRA bereits Service Bundles an:
  • Erzeugung (Erzeugungsanlagen und Komponenten)
  • Infrastruktur (Transport- und Verteilnetze, Speicherung)
  • Anwendung (Industrie, Mobilität, Wärme- und Stromversorgung)
  • Qualitätsinfrastruktur (Messtechnik, Werkstoffe und Materialien)
  • Weiterbildung, Sicherheit, Zertifizierung
„Als Prüf-, Inspektions- und Zertifizierungsunternehmen sind wir in der Verantwortung, die Transformation in eine sichere und grüne Wasserstoff-Wirtschaft zu gewährleisten“, betont Dr. Christoph Flink. DEKRA arbeitet deshalb aktiv darauf hin, als eines der ersten TIC-Unternehmen (Testing, Inspection, Certification) seinen Kundinnen und Kunden grüne Wasserstoff-Zertifikate anbieten zu können, die von der Europäischen Kommission anerkannt sind. Darüber hinaus setzt sich DEKRA dafür ein, dass grüne Wasserstoff-Anwendungen in Gesellschaft, Industrie und Politik künftig noch mehr Akzeptanz finden. Nur so lassen sich die weltweiten Klimaziele erreichen. „Grüner Wasserstoff und seine Derivate werden sich in den nächsten Jahren in vielen Bereichen unseres täglichen Lebens wiederfinden. Für eine sichere Transformation hin zu einer Wasserstoff-Wirtschaft brauchen wir eine sichere und nachhaltige Wasserstoff-Prozesskette sowie umfassende und einheitliche rechtliche Leitplanken mit den entsprechenden Normen, Standards und Prüfpflichten“, so Dr. Christoph Flink. „Und wir sollten die Wasserstoff-Wirtschaft als zukunftsfähiges Pendant zur fossilen Energiewirtschaft verstehen und akzeptieren. Schließlich muss nicht nur die Infrastruktur für die Transformation bereit sein, die künftigen Nutzerinnen und Nutzer müssen Wasserstoff vertrauen. Darum kümmern wir uns.“
Die Definitionsgrundlage der unterschiedlichen Wasserstoffarten kann sich geringfügig unterscheiden – je nachdem, ob man die Nationale Wasserstoff-Strategie, Bundes-Immissionsschutz-Verordnung oder Erneuerbare-Energien-Verordnung konsultiert. DEKRA bezieht sich auf die Nationale Wasserstoffverordnung, in der die folgende Nomenklatur wie folgt gesetzlich definiert wurde:
  • Grüner Wasserstoff: Herstellung mittels erneuerbarer Energien (Wind- und Solarkraft) durch die Elektrolyse von Wasser.
  • Grauer Wasserstoff: Emissionslastige Produktion durch die Dampfreformierung fossiler Brennstoffe.
  • Blauer Wasserstoff: Die Herstellungsweise ähnelt der des grauen Wasserstoffs, wobei 90 Prozent des abgeschiedenen CO2 unterirdisch gelagert werden.
  • Türkiser Wasserstoff: Entsteht durch Methanpyrolose. Die Erzeugung ist nur dann klimaneutral, wenn die bezogene Energie aus „sauberen“ Quellen stammt.
Wer sich umfassend zu den Dienstleistungen von DEKRA entlang der Wasserstoff-Wertschöpfungskette informieren möchte, sollte den World Hydrogen Congress in Kopenhagen nicht verpassen. Vom 1. bis zum 2. Oktober ist DEKRA auf dem weltweit größten Wasserstoff-Kongress mit Expertinnen und Experten aus den Bereichen Anlagen- und Prozess-Sicherheit, Nachhaltigkeit, Gesetzgebung, Mobilität und Zertifizierung vertreten. Die „DEKRA Talk Corner“ (Stand D102) bietet ein durchgängiges Fachprogramm und die Möglichkeit zum persönlichen Austausch. Vom 7. bis zum 8. Oktober wird DEKRA außerdem auf der Hamburg Sustainability Conference vertreten sein.