DEKRA Verkehrssicherheitsreport 2024 in Brüssel vorgestellt

EU-Koordinator für Straßenverkehrssicherheit: „Es gibt keine ‚akzeptable‘ Zahl von Verkehrstoten“

14. Nov. 2024 Sicherheit im Verkehr
  • Positive Entwicklung ist in den letzten Jahren ins Stocken geraten
  • Bei der Verkehrsinfrastruktur muss das Augenmerk auf Sicherheit liegen
  • Der Faktor Mensch spielt vorerst noch eine Schlüsselrolle

Der EU-Koordinator für Straßenverkehrssicherheit Kristian Schmidt hat das Bekenntnis der Europäischen Kommission bekräftigt, die Sicherheit auf Europas Straßen zu verbessern. Beim DEKRA Jahresempfang in Brüssel sagte Schmidt: „Es gibt keine ‚akzeptable‘ Zahl von Verkehrstoten. Deshalb müssen wir weiterhin an allen Hebeln des ‚sicheren Systems‘ ansetzen: nicht nur mehr Investitionen in die Straßeninfrastruktur, sondern auch sichere Geschwindigkeiten, sichere Fahrzeuge, besseres Verhalten im Straßenverkehr und eine verbesserte Versorgung nach einem Unfall. Mit Beginn einer neuen Amtszeit der Europäischen Kommission wird sich an unserem Engagement für die Schaffung dieses sicheren Systems nichts ändern.“ Schmidt, Direktor Landverkehr bei der GD MOVE der Europäischen Kommission, ist auch mit einem Namensbeitrag im DEKRA Verkehrssicherheitsreport 2024 mit dem Titel „Verkehrsräume für Menschen“ vertreten. Der Report mit Schwerpunkt auf der Verkehrsinfrastruktur wurde bei der Veranstaltung in Brüssel von Jann Fehlauer, Executive Vice President der DEKRA Gruppe, vorgestellt. Der 17. Bericht der Reihe untersucht verschiedene infrastrukturelle Problemfelder aus der Perspektive der Unfallforschung, der Verkehrspsychologie, der Fahrzeugtechnik, der Infrastrukturplanung und der Gesetzgebung.

Mehr denn je steht die Straßeninfrastruktur im Spannungsfeld unterschiedlichster Anforderungen. Hinzu kommt der rasante Wandel des Mobilitätsverhaltens in vielen Teilen der Welt. Weiterentwicklungen in den Bereichen Sensorik, Rechenleistung und Batteriekapazität haben neue Formen der Mobilität geschaffen oder bestehende revolutioniert. Dieser Wandel vollzieht sich schneller, als die Infrastruktur angepasst werden kann.
„Angesichts dieser komplexen Herausforderungen sind eine sorgfältige Planung und die Umsetzung geeigneter Maßnahmen wichtiger denn je, um Unfälle ganz zu vermeiden oder zumindest ihre Folgen zu minimieren“, sagt Fehlauer. „Ganz gleich, ob die Infrastruktur für den gemischten Verkehr ausgelegt ist, wie z.B. Innerorts- und Landstraßen, oder ob sie bestimmten Nutzergruppen vorbehalten ist, wie z.B. Fußgängerzonen, Radschnellwege oder Autobahnen: Der Fokus muss immer auf der Sicherheit liegen“, betont Fehlauer.

Unzureichende Straßenverhältnisse in vielen Teilen der Welt

Dass es in dieser Hinsicht noch viel zu tun gibt, zeigen Statistiken. Zwar sank die Zahl der Verkehrstoten in der EU zwischen 2010 und 2021 um 32,8 Prozent von 29.600 auf 19.900. Doch seit einigen Jahren ist die positive Entwicklung ins Stocken geraten: Die Zahl stieg 2022 wieder auf knapp 20.600 an; für 2023 rechnet die EU in der vorläufigen Statistik mit rund 20.400 Verkehrstoten. „Aus heutiger Sicht dürfte das von der WHO und der EU selbst gesetzte Ziel, die Zahl der Verkehrstoten zwischen 2021 und 2030 zu halbieren, schwer zu erreichen sein“, so die DEKRA-Experten in dem Bericht.
Jens Gieseke, MdEP, EVP-Koordinator im Parlamentsausschuss für Verkehr und Tourismus, kündigte weitere politische Anstrengungen für die Verkehrssicherheit an. „Die Politik muss mit ihren Entscheidungen zum Schutz von Menschenleben beitragen. Trotz des guten Ausbaus der Innenstädte zeigt sich die Notwendigkeit der Verkehrssicherheit in anderen Bereichen. Gerade Landstraßen sind besonders gefährlich und viele Fahrten enden oft tödlich. 2022 passierten dort mehr als die Hälfte der tödlichen Verkehrsunfälle. In Finnland und Irland waren es sogar zwei Drittel. Die Wurzeln des Problems müssen bekämpft und effiziente Maßnahmen ergriffen werden. Ein Ansatz dafür ist der Ausbau der Fahrzeugkommunikation.“
Antonio Avenoso, Geschäftsführer des Europäischen Verkehrssicherheitsrats (ETSC), konzentriert sich in seinem Statement im DEKRA Verkehrssicherheitsreport auf das Thema 30 km/h in Städten. Seiner Meinung nach sollten die Kommunen die Möglichkeit erhalten, standardmäßig Tempo 30 einzuführen, ohne dass die nationalen Regierungen ihnen Steine in den Weg legen. „Es wäre naiv zu glauben, dass Tempo-30-Beschränkungen Verkehrsunfälle mit Todesfolge und Verletzungen in Städten beenden werden. Aber sie sollten als einfacher, kostengünstiger Schritt gesehen werden, der über die Sicherheit hinaus Vorteile bringt“, schreibt Avenoso. „Sie signalisieren auch laut und deutlich die Akzeptanz einer Realität, die in vielen Teilen Europas vergessen wurde: dass Städte zum Nutzen aller Bürger gestaltet werden sollten, nicht nur für diejenigen, die sich für das Auto als Verkehrsmittel entscheiden.“

Verantwortungsvolles Verhalten und Regelakzeptanz bleiben unerlässlich

Infrastruktur, Regelwerke und Fahrzeugtechnik spielen jeweils eine wichtige Rolle für die Verkehrssicherheit. Bei allen Bemühungen dürfe aber eine wesentliche Voraussetzung nicht vergessen werden, betont DEKRA Geschäftsführer Jann Fehlauer: „Um gefährliche Situationen erst gar nicht entstehen zu lassen, sind und bleiben verantwortungsvolles Verhalten, die richtige Einschätzung der eigenen Fähigkeiten und ein hohes Maß an Regelakzeptanz unerlässlich.“ Daran können auch die beste Straßen- und Kommunikationsinfrastruktur oder Fahrzeugtechnik nichts ändern. Der Faktor Mensch spielt vorerst noch eine entscheidende Rolle.
Der DEKRA Verkehrssicherheitsreport 2024 „Verkehrsräume für Menschen“ steht im Internet unter www​.dekra-roadsafety​.com zum Download bereit. Dort finden sich auch alle bisherigen Reports mit zusätzlichen Inhalten.