6G – Mobilfunk von übermorgen
Author: Michael Vogel
Nach 5G kommt 6G. Die Mobilfunktechnologie der 2030er Jahre wird schneller, zuverlässiger und flexibler sein als ihre Vorgänger. Und sie soll sogar Positionen zentimetergenau bestimmen können.
Es ist erst wenige Jahre her, dass der Mobilfunkstandard 5G debütierte. Einige Besitzerinnen und Besitzer von Smartphones haben vermutlich noch nie im 5G-Netz telefoniert, weil ihr Smartphone das gar nicht kann oder weil bislang kein 5G-Netz in ihrer Gegend existiert. Da mag es auf den ersten Blick verwundern, dass bereits von 6G die Rede ist. Doch dies folgt einer ungeschriebenen Regel: Seit den 1980er Jahren erlangte in jedem Jahrzehnt eine neue Mobilfunkgeneration ihre Marktreife. Damit das bei 6G in den 2030ern ebenfalls gelingt, befassen sich Wissenschaft und Industrie bereits jetzt mit Verfahren und Technologien, die für 6G relevant werden könnten. Könnten, weil die internationalen Standardisierungsbemühungen erfahrungsgemäß erst Mitte dieses Jahrzehnts so richtig beginnen. Bis dahin werden in Europa, China, Südkorea, Japan und Nordamerika viele 6G-Forschungsprojekte ihren Abschluss gefunden haben. Die Ergebnisse bilden dann die Grundlage für die Standardisierungsbemühungen.
Was leistet 6G?
Trotzdem lässt sich bereits skizzieren, was 6G leisten soll. Die erste Zahl, die bei einer Mobilfunktechnologie gemeinhin zur Sprache kommt, ist die Datenrate. Während 5G Datenraten von maximal 20 Gigabit pro Sekunde zulässt, ist bei 6G von einem Terabit pro Sekunde die Rede. Das entspricht der 50-fachen 5G-Geschwindigkeit. Bei 6G geht es aber nicht mehr um die Frage, wie schnell sich etwa ein Film herunterladen lässt – das war schon bei 5G kein echtes Thema mehr. Vielmehr wird 6G die Möglichkeiten verbessern, die bereits mit 5G zunehmend in den Vordergrund rücken: Anwendungen wie das automatisierte Fahren, die 3D-Kommunikation oder die vernetzte Produktion.
So erwartet mancher, dass erst mit 6G automatisiertes Fahren tatsächlich Realität wird. Ein solches Auto wird zwar alle Sensorik und Rechenleistung an Bord haben, um sicher zu fahren. Doch für flüssiges Fahren wird es auf Informationen anderer Verkehrsteilnehmer angewiesen sein, die ihm etwa per Mobilfunk zur Verfügung gestellt werden. Da kommt eine ganze Menge an Daten zusammen, die zudem mit extrem geringer Verzögerung übertragen werden muss, wenn sie nützen sollen: ein Fall für die höhere Datenrate von 6G.
6G soll Latenzzeiten von unter einer Millisekunde garantieren
Doch nicht nur das. Bereits 5G sieht im Standard eine Möglichkeit vor, die Kommunikation von Fahrzeugen über das Mobilfunknetz mit der Infrastruktur oder anderen Fahrzeugen in einer garantierten Zeitspanne zu übertragen. Diese Latenzzeit beträgt mindestens eine Millisekunde. 6G soll Latenzzeiten von deutlich unter einer Millisekunde garantieren können, was einen entscheidenden Zugewinn an Reaktionszeit für ein automatisiertes Fahrzeug verspricht.
Mit 6G könnte auch die flüssige 3D-Darstellung von Objekten möglich werden. Interessant wäre das zum Beispiel für die Kommunikation mit realistisch aussehenden Avataren, Hologramm statt Videocall. In einer Fabrik wiederum ließe sich das Konzept des digitalen Zwillings umfassend anwenden. Ein digitaler Zwilling ist das virtuelle Gegenstück einer Maschine oder eines Prozesses in der Produktion. Dank der hohen Datenrate und geringen Latenz eines 6G-Netzes ließe sich mit den digitalen Zwillingen die reale Produktion im Virtuellen überwachen und analysieren – um ungeplante Stillstände zu vermeiden und die Qualität der gefertigten Produkte konstant hoch zu halten.
Funken zwischen 110 und 170 Gigahertz
6G wird ähnlich wie bei früheren Übergängen zu neuen Mobilfunktechnologien die alten Frequenzen nutzen. Das sind Frequenzen im Bereich bis wenige Gigahertz. Für 5G ist in einigen Jahren auch die Nutzung von Frequenzen bei 26, 28 oder 39 Gigahertz vorgesehen. Doch mit 6G dürfte echtes Neuland betreten werden. Erstmals soll eine Mobilfunktechnologie auch zwischen 110 und 170 Gigahertz funken. Denn dieses sogenannte D-Band bietet noch viel ungenutzten Platz. Allerdings werden Funksignale in diesem Frequenzbereich stark gedämpft, so dass eine geeignete Antennen- und Verstärkertechnik erst noch entwickelt werden muss.
Durch die höheren Frequenzen bekäme das 6G-Netz eine weitere Eigenschaft, die absolut neu wäre. Es ließe sich zur genauen Positionsbestimmung nutzen, auf einen Zentimeter genau oder womöglich noch besser. Ein GPS-Signal oder andere Methoden der Ortsbestimmung wären dann überflüssig oder würden für Redundanz sorgen, wenn es auf hohe Zuverlässigkeit ankommt. Wenn man so will, wäre das Mobilfunknetz durch diese Funktion ein allgegenwärtiger Positionssensor.
DEKRA forscht an 6G
Funktechnologien wie 5G und 6G oder Funktechnologien für die Verkehrsvernetzung (V2X) sind wichtige Themen bei DEKRA. Thomas Jäger, Head of Technology Management des Servicebereichs Product Testing, nennt Beispiele.
Inwiefern spielen für DEKRA Tests und Zertifizierungen für 5G und V2X eine Rolle?
Jäger: Wir betreiben Standorte in Europa, Asien und Nordamerika, um drei Bedarfe zu bedienen. Erstens: Regulatorisch erforderliche Konformitätsbescheinigungen für den Markteintritt von Produkten. Zweitens: Nicht-regulatorische Zertifizierungen für Anforderungen, die von Industriegruppierungen formuliert wurden. Das kann regional oder global sein. Drittens: Anforderungen von Netzbetreibern, Automobilherstellern und anderen – 5G ermöglicht ja erstmals eigene Unternehmensnetze.
Das klingt nach typischen Aufgaben einer Prüforganisation.
Jäger: Stimmt, aber anders als viele Mitbewerber engagiert sich DEKRA zudem mit Partnern in Forschung und Entwicklung. Wir wirken an neuen Standards mit. Zum Beispiel entwickeln wir gerade in Zusammenarbeit mit der europäischen Normungsorganisation ETSI eine Test-Schnittstelle, um künftige V2X-Fahrzeugprüfungen durchführen zu können. Autos werden ja zu Softwareplattformen. Darüber hinaus bieten wir für die Entwicklung des automatisierten Fahrens komplette Pakete für Tests im Labor, auf unseren Testfeldern und im Realverkehr an. Aber V2X beschäftigt uns auch in anderen Bereichen, etwa bei der Kommunikation zwischen bewegten Maschinen oder zwischen Drohnen.
Wann wird 6G eine Rolle für DEKRA spielen?
Jäger: Seit diesem Jahr nehmen wir an Forschungsprojekten teil, etwa mit Universitäten oder der Fraunhofer-Gesellschaft. 6G soll ja sehr cybersicher werden, ein Feld, auf dem DEKRA umfangreiche Kompetenzen hat. Um diese innerhalb unseres Unternehmens zu bündeln, haben wir zwei Hubs gegründet, für Cyber Security und für Künstliche Intelligenz.