Schutz bei Gewittern
Author: Michael Vogel
Blitzableiter sorgen dafür, dass Blitzeinschläge ohne negative Folgen bleiben. Ob man den äußeren und inneren Blitzschutz benötigt, hängt von der Nutzung und den konkreten Gegebenheiten eines Bauwerks ab.
Rund 491.000 Mal hat im vergangenen Jahr der Blitz alleine in Deutschland laut dem Siemens-Blitzatlas eingeschlagen. Statistisch gesehen sind das 1,4 Blitze pro Quadratkilometer. Verglichen mit anderen europäischen Ländern ist das ein Platz im Mittelfeld. Bosnien-Herzegowina, Europas Land mit den meisten Blitzeinschlägen 2021, traf es gut viermal so oft. Es folgten Slowenien und Montenegro. Schlusslichter der Statistik ist Irland, hinter Norwegen und dem Vereinigten Königreich. In Bosnien-Herzegowina schlägt der Blitz 77-mal so häufig ein wie in Irland.
Blitze entstehen in Regenwolken. Werden dort die Regentropfen durcheinandergewirbelt, stoßen sie immer wieder zusammen und laden sich dadurch elektrisch auf. Die schwereren Tropfen sind dann negativ, sie sinken in der Wolke nach unten, die leichteren – positiv geladenen – Tropfen steigen empor. Dazwischen bildet sich eine elektrische Spannung aus. Kommt es zum Kurzschluss, entsteht also eine elektrisch leitende Verbindung zwischen den verschiedenen Ladungen, leuchtet ein Blitz auf. Das kann zwischen Wolken passieren, was als Wetterleuchten wahrzunehmen ist. Oder es kommt zwischen Wolke und Erdboden zum Kurzschluss – der Blitz schlägt ein.
Ein Blitz entlädt sich in weniger als einer Tausendstelsekunde
In einem Blitz fließen kurzzeitig sehr hohe elektrische Ströme 10.000 bis 40.000 Ampere, manchmal mehr als 200.000 Ampere. Zum Vergleich: An der Haushaltssteckdose sind 16 Ampere das Maximum. Ein Blitz entlädt sich in weniger als einer Tausendstelsekunde. Innerhalb dieser kurzen Zeitspanne setzt er also seine gesamte Energie frei. Ein dünner Draht kann durch einen Blitzeinschlag schmelzen. In einem Baum oder einem Holzgebälk verdampft die enthaltene Feuchte durch den Blitzeinschlag explosionsartig, so dass es durch die schiere mechanische Wucht des Ereignisses zu Schäden kommt. Leicht entzündliche Stoffe können durch Blitzschlag auch in Brand geraten.
Blitze können also einigen Schaden anrichten. Zum Beispiel belief dieser sich laut dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft 2021 in Deutschland auf rund 200 Millionen Euro. Allerdings ist die Gefahr eines Blitzschlags statistisch gesehen nicht so groß, als dass es in den europäischen Ländern eine allgemeine Blitzschutzpflicht gibt. Privathäuser zum Beispiel sind ausgenommen. „Die Pflicht beschränkt sich auf Sonderbauten, zum Beispiel auf Kindergärten, Pflegeheime, Kirchen, Krankenhäuser oder Windenergieanlagen“, erklärt Michael Ringleb, anerkannter Sachverständiger für Elektrotechnik bei DEKRA. „In den Landesbauordnungen heißt es dazu sinngemäß, dass erhabene Gebäude eines Ortes mit einer Blitzschutzanlage ausgerüstet werden müssen.“ Letztlich habe immer das zuständige Bauamt die Möglichkeit, einen Blitzschutz explizit zu fordern, bevor es eine Baugenehmigung erteile.
Risikoanalyse bei Blitzschutz-Pflicht
Besteht die Pflicht zum Blitzschutz, ist eine Risikoanalyse erforderlich – etwas, was auch DEKRA macht, teils in Zusammenarbeit mit Partnern. „Dabei ermitteln wir Dinge wie die Verfügbarkeitsanforderung einer Industrieanlage, den Wert eines Gebäudes sowie den Wert eingelagerter Güter und Akten, um das Risko zu bewerten“, sagt Ringleb. „Das Risiko für Blitzeinschläge ermitteln wir anhand der Gegebenheiten des zu errichtenden Bauwerks und historischer Daten zu Blitzeinschlägen an diesem Ort.“ In den europäischen Ländern gibt es so genannte Blitzdienste, die sämtliche Blitzeereignisse erfassen und als aufbereitete Daten interessierten Organisationen zur Verfügung stellen.
Ein Blitzschutz besteht aus zwei Komponenten, dem äußeren und dem inneren Blitzschutz. Der äußere Blitzschutz entspricht dem, was landläufig als Blitzableiter bezeichnet wird. Im Wesentlichen sind es ausreichend dick dimensionierte Metalldrähte, die an den höchsten Punkten eines Gebäudes beziehungsweise einer Anlage angebracht werden und von dort bis in den Erdboden führen. Wie tief, hängt von den örtlichen Gegebenheiten ab, konkret der elektrischen Leitfähigkeit des Erdreichs.
In Europa gibt es vier Blitzschutzklassen
Die Gefährdung durch einen Blitzeinschlag mit bestimmter Spitzenstromstärke lässt sich in der Planung mit einer Kugel veranschaulichen. Ihr Radius ergibt sich aus der Strecke, die der Blitz nicht mehr zufällig zurücklegt, sondern gezielt bis zum eigentlichen Einschlagpunkt. Je größer die Spitzenstromstärke eines Blitzes ist, desto größer ist diese Kugel. So lässt sich ermitteln, wo Blitzableiter – Fangeinrichtungen – anzubringen sind. Eine europäische Norm definiert vier Blitzschutzklassen, in die Gebäude oder Anlagen eingeordnet werden. Diese Schutzklassen geben an, welche Stromstärken eine Fangeinrichtung noch sicher ableiten können muss und welcher Anteil der lokal zu erwartenden Blitzeinschläge sicher beherrscht wird. So werden zum Beispiel in der „Blitzschutzklasse I“ 99 Prozent der Einschläge sicher beherrscht, in der „Blitzschutzklasse IV“ 84 Prozent.
Nun können nicht nur Blitze Schäden verursachen, die direkt in ein Gebäude einschlagen, sondern auch Blitze, die in der Nähe einschlagen. Dann treten in einem Gebäude womöglich Überspannungen auf, durch die angeschlossene elektrische Geräte Schaden nehmen. Deshalb ist neben dem äußeren Blitzschutz der innere Blitzschutz wichtig. Der äußere Blitzschutz und alle Leitungen, die prinzipiell Strom führen können, müssen dazu an einen gemeinsamen elektrischen Potenzialausgleich angeschlossen sein. Hierzu gehören alle Leitungen für Strom, Telefon, Gas und Wasser.
Ist ein Blitzschutz im konkreten Fall Pflicht, so hat die Zuordnung eines Bauwerks zu einer Blitzschutzklasse eine regelmäßige Prüfung zur Folge. „Turnus und Umfang hängen stark von der Blitzschutzklasse ab“, sagt der Experte Ringleb. DEKRA bietet solche Blitzschutzprüfungen für jegliche Art von Gebäuden und Anlagen an. So gerüstet kann man hoffentlich das Blitzschauspiel unbeschwert genießen. Eine 100-prozentige Sicherheit gibt es natürlich nicht.