Mobilität der Zukunft: automatisiertes und vernetztes Fahren in Málaga
V2X? 5G, IoT, RFID? Alles klar? Die Welt, in der sich Rosario Trapero Miralles beruflich bewegt, ist voll von diesen Akronymen. Teils muss sie selbst kurz innehalten und nachdenken, was sie eigentlich heißen. Denn sie benutzt sie täglich mit der größten Selbstverständlichkeit im Dialog mit Fachexpertinnen und -experten sowie Kundinnen und Kunden rund um den Globus. Sie ist eine gefragte Expertin und die Chefin des DEKRA Entwicklungsprüfareals, Service Division Product Testing, im spanischen Málaga.
Am Anfang ihrer beruflichen Laufbahn stürzte sich Rosario immer wieder gerne selbst ins kalte Wasser – getreu ihrem Credo: „Versuche jeden Tag, etwas Neues zu entdecken und dich weiterzuentwickeln. Nichts ist schlimmer als Langeweile und das Immergleiche.“ Es mache ihr Spaß, sich in neue Technologien einzuarbeiten, Projekte zum Laufen zu bringen – um sich dann wieder begeistert etwas Anderem, Neuem zuzuwenden.
Frisch von der Uni, war sie zunächst für Fujitsu an der Konstruktion von Computern beteiligt. Etwas mehr als drei Jahre später, 1992, heuerte sie bei einem internationalen Prüfunternehmen an, wo sie an der Einrichtung des Testlabors für Telekommunikation beteiligt war. Später – das Unternehmen hatte sich folgerichtig in AT4 wireless umbenannt – war sie mit der kabellosen Übertragung von Daten und dann mit IoT(Internet of Things)-Projekten betraut; unter anderem leitete sie die Entwicklung des ersten Test-Tools für RFID-Bauteile (= Radio Frequency Identification).
V2X – das Zauberwort der Stunde
Im Jahr 2015, als DEKRA AT4 wireless übernahm, war es nicht anders: Der strategische Zukauf zielte darauf ab, das im Unternehmen vorhandene Know-how in Sachen Netzwerktechnologie zu nutzen, um DEKRA auf dem Gebiet des vernetzten und autonomen Fahrens weiter voranzubringen. V2X war das Zauberwort der Stunde: „Vehicle to Everything“, die datengetriebene Kommunikation des Autos mit seiner Umwelt. Und Rosario bekam erneut die Gelegenheit, etwas ganz Neues zu wagen.
„Ich hatte ehrlich gesagt keine Ahnung davon“, erinnert sich Rosario. „Wir hatten in dieser Firma niemals zuvor mit Autos, Lkw oder Motorrädern zu tun. Wir waren auf die Prüfung von Wireless-Netzwerken und Mobilfunk spezialisiert. Aber ich erhielt den Auftrag, ein Labor und eine Teststrecke für vernetztes und automatisiertes Fahren zu konzipieren.“
Diese spannende Herausforderung nahm sie gerne an und arbeitete sich gründlich ins Thema ein. Natürlich mit dem Wissen eines Elektronik- und Physik-Studiums als Grundlage. Krönendes Highlight war der Besuch der OmniAir Messe und Tagung in San Antonio, Texas, auf der sie entscheidende Impulse und Kontakte für ihr Vorhaben bekam.
DEKRA Testareal Málaga
All dieses Wissen floss in das Testareal ein, das weniger als ein Jahr später feierlich eröffnet wurde. Von der DEKRA Muttergesellschaft reiste eine Delegation an, die ganze Politik- und Wirtschafts-Prominenz der aufstrebenden Region Málaga defilierte bilderstark durch das Testareal, das mit seinen künstlichen Fassaden und Kreuzungen wirkt wie eine Filmkulisse.
Auf dem rund 50.000 Quadratmeter großen Areal an der andalusischen Küste dreht ein weißer Ford Kuga, ausgerüstet mit modernster Technik, seine Runden. „Mit unserem Testfahrzeug sind wir in der Lage, die Funktion von Bauteilen, die dem vernetzten, automatisierten und letztlich dem autonomen Fahren dienen, in einer Umgebung zu testen, die reale Situationen nachstellt, ohne andere Verkehrsteilnehmer zu gefährden“, so Rosario. Alle äußeren Faktoren, mit denen die komplexe Technik zurechtkommen muss, sind nur virtuell vorhanden: „Mehr als 30 Funksender, die auf unserem Testareal verteilt sind, simulieren ortsfeste Elemente, wie zum Beispiel Ampeln, Verkehrsschilder und Ähnliches, aber auch bewegliche Elemente wie andere Fahrzeuge oder zu Fuß Gehende.“
Doch das ist nur ein Teil der Leistungen, die das Testareal, das im Verbund mit dem DEKRA Technology Center in Klettwitz arbeitet, anbieten kann, sagt Rosario: „In unseren zwei Laboren, die direkt an der Teststrecke stehen, können wir noch viel mehr Verkehrssituationen komplett virtuell simulieren, egal ob in der Stadt oder auf der Autobahn. Mehr als 100 verschiedene Autos, Lkw, Motorräder, Fahrrad fahrende und zu Fuß gehende Personen stehen uns in den Testszenarien zur Verfügung.“
Alle Testmethoden, sowohl im Computer als auch im Realbetrieb, basieren auf den weltweit anerkannten Normen für Hersteller von Fahrzeugen und -komponenten. So hat DEKRA in Málaga 2021 selbst als erstes Testzentrum weltweit die Zulassung, um Kunden nach dem US-OmniAir-Standard für C-V2X-Kommunikation (= Cellular V2X) zu zertifizieren.
Wandel durch Digitalisierung
In diesem Jahr wird Rosario ihr 30-jähriges Firmenjubiläum feiern. Der konstante Wandel an der Speerspitze der fortschreitenden Digitalisierung hat ihre Karriere bestimmt. Die letzte große Veränderung in Rosarios Berufsleben war einerseits ihr Wechsel in die Service Division Product Testing und andererseits Corona. Mehr als sonst arbeitet sie virtuell und findet das auch gut: „Wenn man es vom technologischen Standpunkt aus betrachtet, hat uns die Pandemie viele Fortschritte gebracht: Durch die sehr einfach zu realisierenden virtuellen Meetings kann ich zeitgleich mit mehreren Kunden oder Kollegen eine Besprechung haben – und das Ganze in verschiedenen Zeitzonen und ohne selbst reisen zu müssen. Das ist doch grandios!“
Allerdings genießt sie auch die Tage, wenn sie einfach nur aufs Testgelände fährt, sich mit ihren Teamkolleginnen und -kollegen bespricht oder Besuchergruppen durch die Labore führt und ihnen Tests mit Realfahrzeugen zeigt. Es muss schließlich nicht immer alles digital sein.
Drei Fragen an die Expertin:
Was war in diesen 30 Jahren die stärkste, die einschneidendste Veränderung? Ganz klar die Wireless-Technologie. Ich begann mein Arbeitsleben mit einem Testsystem für feste Endgeräte – Telefon, Modem, Fax. Die drahtlose Kommunikation hat danach die Welt wie keine andere Technologie verändert.
Bekanntlich haben wir Level 5 – völlig autonome Fahrzeuge – noch nicht erreicht. Wo also geht die Reise hin?
Wir können hier bereits standardisierte Tests komplett durchführen und dank unseres eigenen 5G-Netzes, der bestehenden V2X-Module und unserer Expertinnen und Experten sind wir damit für alle kommenden Anforderungen unserer Kunden gerüstet.
Wann werden selbstfahrende Autos durch die Städte fahren?
In zehn bis zwölf Jahren wird es nicht ungewöhnlich sein, diese Autos auf der Straße zu sehen, und natürlich in privaten Umgebungen wie Fabriken, Häfen oder Flughäfen viel früher. Das große Paradoxon ist ja, dass es mehr automatisierte Fahrzeuge auf der Straße bräuchte, um die Technologie sicherer zu machen. Aber gerade weil die Technologie noch als unsicher gilt, ist sie noch nicht so verbreitet. So gesehen ist der menschliche Fahrer letztlich der Unsicherheitsfaktor.
In unseren zwei Laboren können wir viele Verkehrssituationen komplett virtuell simulieren, egal ob in der Stadt oder auf der Autobahn
Rosario Trapero Miralles, Leiterin des DEKRA Testareals für automatisiertes und vernetztes Fahren, Service Division Product Testing, in Málaga, Spanien.